Mutatio
Cyberpunk-Roman
(2018)
„Für mich den Cyberpunk auf den Punkt getroffen. Alles drin Optis, Cyberware, Hacker, Aufrüstung, das komplette Programm.“
Band Drei von Terranis
4,8 von 5
Devon und seinen Kampfgefährten bleibt keine andere Wahl, als den selbstmörderischen Auftrag des undurchsichtigen Phobos anzunehmen: mit Unterstützung der genialen Hackerin Nyx sollen sie einen ehemaligen Topagenten der Geheimorganisation Terranis aus einem Hochsicherheitsgefängnis in der Antarktis befreien.
Im ewigen Eis bekommen sie es mit dem sadistischen Gefängnisbetreiber Voronoff zu tun, der ihnen erbarmungslos die Grenzen aufzeigt und Devon zu verzweifelter Improvisation zwingt.
Zu allem Überfluss wird den Teammitgliedern schnell klar, dass von dem mysteriösen Mann, dem die Befreiungsaktion gilt, selbst eine tödliche Gefahr ausgeht.
Als sie beschließen, selbst die Initiative zu ergreifen, spitzt sich alles auf eine direkte Konfrontation mit Phobos in den brennenden Häuserschluchten von Kalkutta zu, wo gerade die Entscheidungsschlacht zwischen Rebellen und Ratstruppen tobt …
Terranis - Der gesamte Zyklus
Leseproben
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Kapitel 1 (Gesamter Text)
1 – an Fäden
Über dem Pazifik
Devon Reeves lag auf einem der schmalen Lager im hinteren Bereich des Gleiters, der den Namen Lasarew trug, und starrte an die Decke. Ein leichtes Dröhnen war in der Zelle der geräumigen Maschine zu spüren, die Phobos dem Team besorgt hatte. Die Lasarew war ein Vorgängermodell der Helios, die Devon in seiner kurzen Zeit als Ghost gute Dienste geleistet hatte. Auch wenn die Lasarew nicht mehr am aktuellsten Stand der Technik war, war sie doch gut in Schuss und eignete sich perfekt als fliegende Kommandozentrale. Wie Phobos an den erst kürzlich ausgemusterten Kampfgleiter herangekommen war blieb ebenso sein Geheimnis wie die Wahrheit über seine Identität, seine Motive und seinen Aufenthaltsort.
Da sich Devon und sein Team geweigert hatten, Phobos blind zu vertrauen, zwang er ihnen nun seinen Willen auf und schickte sie auf ein Himmelfahrtskommando: die Befreiung eines ehemaligen Terranis-Agenten aus einem Hochsicherheitsgefängnis in der Antarktis. Für den Fall einer Weigerung hatte er gedroht, jedem einzelnen von ihnen zu schaden und niemand zweifelte daran, dass er dazu in der Lage war. Phobos besaß Macht, eine Form von Macht, die Devon nicht geheuer war. Er versteckte sich hinter einer digitalen Maske und seine Waffen waren Informationen. Nicht einmal Nyx mit ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten als Hackerin hatte ihm bisher Paroli bieten können.
Das Gespräch mit Phobos lag bereits viele Stunden zurück und er hatte sich seither nicht mehr gemeldet. Die Missionsparameter standen fest und die Antarktis war im Autopiloten der Lasarew gespeichert, die sie immer näher an eine ungewisse Zukunft heranführte. Devon erinnerte sich an seine kurze Zeit als Ghost zurück. Das Gesicht des Verräters Rush schlitterte über die Schwelle seines Bewusstseins, wo es eine Kaskade an Erinnerungen auslöste.
Devon verfluchte die Untätigkeit. Für seinen Geschmack hatte er in den letzten Wochen zu viel Zeit tatenlos verbracht. Es waren diese ruhigen Momente, in denen dunkle Gedanken wie giftiger Nebel durch sein Bewusstsein zogen. Er hätte alles für einen Ausschaltknopf gegeben.
»Alles in Ordnung?« Devon hörte ihre Stimme, bevor er Sethi in sein Sichtfeld treten sah. »Du bist schon eine ganze Weile so still.«
»Ja.«, sagte er knapp, da er keine Lust auf ein Gespräch hatte.
Sethi setzte sich unaufgefordert auf das zweite Bett und sah ihn an, als gäbe es etwas Interessantes in seinem Gesicht zu entdecken.
»Du siehst aber nicht aus, als würde es dir gut gehen.«
Devon kratzte die zersplitterten Reste eines Lächelns zusammen und arrangierte sie neu. »Wenn ich noch Major wäre, würde ich dir jetzt befehlen, keine weiteren Fragen zu stellen.«
»Aber du bist kein Major mehr.« Sie blinzelte ihn herausfordernd an. »Das heißt, du musst mir antworten.«
Devon seufzte lang und nickte.
»Machst du dir Sorgen wegen des Plans?«, fragte Sethi.
Wenn es nur das wäre, dachte Devon und setzte sich auf. »Nein, das ist es nicht.«
»Was quält dich dann?«
Devon blickte in ihre dunklen, ausdrucksstarken Augen. Vereinzelte Narben und Flecken, die sie im Laufe vieler Kämpfe gesammelt hatte, störten die perfekte Symmetrie ihres bildhübschen, genetisch optimierten Gesichts. Interessanter war für Devon aber das, was sich dahinter verbarg. Sethi hatte sich in der kurzen Zeit ihrer neuen Zusammenarbeit verändert. Sie war nicht mehr der unnahbare Lieutenant des Ratsheeres. Vielleicht kam aber auch nur ihr wahrer Kern zum Vorschein, nachdem sie sich nicht länger verstellen musste, jetzt, da sie ihr ursprüngliches Ziel, Ghostagent zu werden, nicht mehr mit Verbissenheit verfolgen konnte.
»Keine Sorge.«, log Devon. »Ich bin okay.«
Ihr Blick verriet, dass sie ihm nicht glaubte. Sie waren sich zu ähnlich, daher wusste sie auch, dass etwas nicht stimmte.
»Weißt du was, ich erzähle dir jetzt eine Geschichte aus unserer gemeinsamen Zeit beim Ratsheer, einverstanden?«
Devon sah sie überrascht an.
»Bevor ich dir unterstellt wurde, habe ich unter vielen Frauen und Männern gedient, deren Fähigkeiten nicht annähernd mit ihren Egos mithalten konnten. Ich nahm an, das würde auch auf dich zutreffen, schließlich spielten sich die Deadeyes als absolute Elite des Ratsheeres auf. Aber derartiges Gerede war in den meisten Fällen nur heiße Luft.«
»Deadeyes.« Devon sprach den Codenamen seiner alten Einheit wie ein magisches Wort aus, das ihn auf der Stelle in sein früheres Leben zurückschicken konnte. »Ein verdammt zäher Haufen.«
»Du sagst es.« Sethi nickte. »Aber vor meiner Versetzung wusste ich das noch nicht und auf Gerüchte gab ich nicht sonderlich viel. Also erwartete ich insgeheim einen weiteren Haufen unzivilisierter Brüllaffen, die ihren Anführer wie eine Hindugottheit verehren würden. Dafür sprachen die großspurigen Worte der jungen Soldaten und der Ruf eines stahlharten, strengen Majors, der durch nichts aus der Ruhe zu bringen war. Typisches Machogewäsch eben.«
»Diesen Ruf hatte ich also?«, fragte Devon leicht amüsiert.
»So habe ich es zumindest vor meiner Versetzung gehört.« Sethi zuckte mit den Schultern. »Ich kann mich noch genau daran erinnern, als ich dich das erste Mal gesehen habe.« Sie setzte ein strenges Gesicht auf, als wollte sie die Züge von Devon imitieren. »Du hast das Versetzungsschreiben genommen, es kommentarlos durchgelesen und mir dann die Regeln erklärt. Dann hast du mich gefragt, ob ich etwas dazu zu sagen hätte und ob ich damit einverstanden wäre.«
»Ich erinnere mich.« Devon dachte an den Tag zurück, an dem Sethi bei ihm aufgetaucht war. Damals war sie nur eine weitere Soldatin gewesen, die sich in seinen Reihen erst noch beweisen musste. Zu diesem Zeitpunkt war sie ihm nicht mehr und nicht weniger aufgefallen als all die anderen Neuzugänge.
»Du hast mich zusammen mit einigen Rekruten zu einem Vierundzwanzig-Stunden-Training geschickt, um meine Fähigkeiten und meine Ausdauer zu testen, noch bevor ich einen einzigen Namen kannte.«
»Das habe ich mit allen Neuzugängen so gemacht.«
»Mag sein.« Sethi lächelte. »Doch für mich war das damals eine Beleidigung. Ich sollte mit Rekruten zusammen trainieren wie eine Anfängerin und das, obwohl ich bereits Lieutenant war. Ich hatte das Gefühl, du würdest mich nicht ernst nehmen, wie es schon so viele vor dir getan hatten. Am liebsten hätte ich dich damals zum Zweikampf herausgefordert, um mich zu beweisen.«
In ihren blitzte die Vergangenheit kurz auf, wie ein winziger Spiegel ihrer Seele.
»Kann ich mir vorstellen.«, sagte Devon. »Aber mir war immer egal, welche tollen Empfehlungsschreiben Neuzugänge mitbrachten, wem sie in den Arsch gekrochen sind oder wessen Verwandte sie waren. Im Kampf muss ich mich auf meine Kameraden verlassen können, also musste sich jeder beweisen, Frischling oder Veteran, Frau oder Mann. Keine Sonderbehandlung.«
»Das habe ich später auch verstanden, aber zu Beginn war es einfach nur beschämend für mich, mit den Rekruten im Dreck zu sitzen. Und dann war da auch noch dein Auftreten. Immer beherrscht, wortkarg und konzentriert. Ich hielt dich für extrem arrogant und selbstverliebt.«
»Vorsicht, du zerstörst mir noch meine Illusionen.«
»Ich bin ja auch noch nicht fertig.«, gab sie zurück. »Nachdem wir diese Aufstände in Juàrez niedergeschlagen hatten, gab es da diese kleine Abschiedsfeier.«
»Du meinst vor unserer Versetzung in die Ukraine?«
»Genau.«, bestätigte Sethi. »Ich war noch nicht lange Teil deiner Einheit, ein paar Wochen vielleicht, kann mich aber noch gut an den Tag erinnern.«
Devon nickte wissend, obwohl die Erinnerung daran nur noch ein Schatten in seinem Gedächtnis war.
»Ich habe dich die ganze Zeit über beobachtet.«, gestand sie, bemerkte dann aber, wie das in seinen Ohren klingen musste und ruderte mit den Armen, als wollte sie die Worte wieder einfangen. »Nicht, was du vielleicht denkst. Zu dem Zeitpunkt wusste ich einfach noch nicht, was ich von dir halten sollte.«
Sethi hatte seine Neugierde geweckt. »Und was hast du beobachtet?«
»Du bist still im Lager umhergewandert, hinter den Reihen der Soldaten, während sie alle gefeiert haben. Wie ein Adler hast du sie umkreist, die Augen stets fokussiert, mit diesem undefinierbaren Blick, als würdest du hinter ihren Rücken Pläne schmieden. Ich hatte immer das Gefühl, du wüsstest von etwas Bevorstehendem, das nur du sehen konntest.«
Devon dachte über ihre Worte nach und versuchte sich vorzustellen, wie es aus seiner Sicht gewesen war. Er hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht, wie er auf andere wirkte. »Interessante Beobachtung.«
»Ich dachte, du würdest dich einfach nur für etwas Besseres halten. Erst nach und nach erkannte ich, dass du nicht wie die meisten Wichtigtuer in der Armee warst.«
»Ich nehme das jetzt einfach einmal als Kompliment.«
»Zurecht.«, sagte Sethi. »So etwas kommt mir nämlich nicht leicht über die Lippen.«
»Und was war ich dann?«
Sethi ließ sich mit der Antwort Zeit. Sie grübelte über die Wahl ihrer Worte nach und fuhr dann fort: »Du warst weder einer dieser Männer, die sich groß aufspielten, noch einer, der einfach nur um sich ballern wollte. Abzeichen und Ränge haben dir nie etwas bedeutet. Du hast dich um deine Soldaten gekümmert, sie beschützt, wo es ging, aber auch alles von ihnen verlangt, damit sie immer bereit waren. Was das betraf, konntest du gnadenlos sein.«
Sie legte eine Pause ein, als wollte sie überprüfen, ob Devon ihr überhaupt noch zuhörte, denn sein Blick war nach unten gerutscht.
»Wusstest du, dass dich die meisten deiner Soldaten für einen gefährlichen Mann hielten? Einige der jungen Rekruten hatten regelrecht Angst vor dir und nicht einfach nur als ihrem Vorgesetzten. Wer so wenig redet und niemals Gefühle zeigt, muss ein verdammt harter Kerl sein.«
Devon musste lächeln.
»War das wirklich so?«
Sethi nickte.
»Vertrau mir, genauso war es.«, sagte sie. »Ich mag nicht gerade die Geselligste in der Armee gewesen sein, doch das bedeutet noch lange nicht, dass ich taub oder blind war. Am besten gefiel mir die Geschichte, wonach du in Wirklichkeit ein Roboter wärst, dem man ein menschliches Gesicht verpasst hat, ein geheimes Experiment der Armee sozusagen. Es gab so viele Legenden um den geheimnisvollen Major Devon Reeves, dass man tatsächlich glauben hätte können, du wärst ein Übermensch.«
»Wohl eher ein Unmensch.«, berichtigte Devon und lachte bitter auf.
»Ja, gelegentlich.« Sethi hob die Augenbrauen. »Aber eines war allen unter deinem Kommando immer klar: Sie konnten sich auf deine Führung verlassen. Mit deiner ruhigen und zugleich strengen Art hast du allen das Gefühl gegeben, du hättest jederzeit alles im Griff. Und nichts motiviert mehr als ein Vorgesetzter, dem man zutraut, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Viele wären dir sogar ins Herz der Hölle gefolgt, um den Teufel persönlich zu bekämpfen.«
Beide zeigten ein unverbindliches Lächeln, das im darauffolgenden Schweigen allmählich zerfloss. Devon wusste zu schätzen was Sethi tat, doch in Wirklichkeit befeuerte es seine Zweifel nur noch mehr. Sie erkannte die Wirkung ihrer Worte selbst und wurde ernst.
»Devon, du willst mir nicht sagen, was dich quält, das verstehe ich besser als jeder andere.«, sagte sie. »Ich habe auch mein Leben lang kein Wort über das verloren, was mich belastet, was im Nachhinein betrachtet ein Fehler war. Ich war immer der Meinung, niemand würde verstehen, was in mir vorging, aber als wir in Singapur …«
Sethi verstummte für einen Augenblick. Devon sah auf. Ein undefinierbarer Ausdruck hatte sich in ihr schönes Gesicht gestohlen. Doch schon einen Lidschlag später lichteten sich ihre Züge wieder.
»Du solltest nur nicht vergessen, dass du vielen Menschen das Leben gerettet hast und für noch mehr ein Vorbild gewesen bist.«
Devon hörte die Worte, doch sie waren nur ein hohles Echo in seinen Ohren. »Was zählt das schon, wenn man Soldat ist? Man bewahrt Leben, indem man andere nimmt. Klingt wie eine Gleichung, die sich selbst auflöst, bei der nichts herauskommt.«
Sethi schien jetzt endgültig bewusst zu werden, dass hinter der stoischen Maske von Devon etwas Gefährliches rumorte, etwas, das bisher noch nicht an die Oberfläche getreten war. In ihren Augen blitzte ein Funke der Sorge, gepaart mit Hilflosigkeit.
»Als wir in Singapur vom Black Market geflohen sind, gab es da diesen einen kurzen Moment. Ich … ich wollte einfach nur …«
Sie schien ihm etwas Wichtiges mitteilen zu wollen, fand aber nicht die richtigen Worte dafür. Als sie gerade wieder zum Reden ansetzen wollte, tauchte Walker auf.
»Na, was treibt ihr beiden Turteltauben hier hinten?«
Er trug ein schäbiges Grinsen zur Schau und zog an einer Zigarette. Für einen Augenblick huschte ein erleichterter Ausdruck über das Gesicht von Sethi.
Devon sah Walker amüsiert an. »Keine Sorge, wenn es zur Sache geht, werden wir nicht auf dich vergessen.«
»Der Blechmann, vergiss es!«, wehrte Sethi ab.
Walker zwinkerte ihr zu. »Da verpasst du aber was.«
Devon wurde übergangslos ernst. »Was macht unser Neuzugang?«
Walker warf einen kurzen Blick über die Schulter, zu der jungen Hackerin Nyx, die sich mit den Computersystemen des Gleiters vertraut machte.
»Spricht nicht viel.«, antwortete er. »So wie sie dasitzt, vollkommen vertieft in die Systeme der Lasarew, erinnert sie mich ein wenig an Rush.«
Sethis Blick verdunkelte sich jäh. »Na hoffentlich hat sie sonst nichts mit ihm gemein.«
»Ich denke, wir müssen uns diesbezüglich keine Sorgen machen.«, meinte Walker.
»Ich hoffe, du hast Recht.«, entgegnete sie.
Devon verzichtete auf eine Antwort.
»Phobos hat es selbst deutlich gemacht.«, erklärte Walker und atmete den Rauch ein. »Sie steht auf unserer Seite, wenn auch zwangsweise.«
Sethi sah nachdenklich zur hageren Gestalt der jungen Frau hinüber. »Irgendwie kommt sie mir verloren vor.«
»Ich denke, sie lebt in ihrer eigenen Realität.«, sagte Walker. »Aber dort kann ihr keiner von uns annähernd das Wasser reichen.«
»Solange sie noch unterscheiden kann.«, entkam es Devon, erntete aber nur verständnislose Blicke.
»Ich denke, es wird langsam Zeit, ihr unsere Geschichte zu Ende zu erzählen.«, schlug Walker vor. »Sie hat sich in meinen Augen bewiesen.«
»Ich bin einverstanden.«, sagte Sethi.
Die Blicke der beiden trafen auf Devon. Sie erwarteten eine Entscheidung von ihm. Er ließ sich allerdings Zeit, fixierte Nyx und nickte dann.
»In Ordnung.«, entschied er. »Wir haben ja noch genügend Zeit.«
Für eine kurze Weile schwiegen die drei, bis Walker seine Arme wie Flügel ausbreitete und sich einmal herumdrehte. »Was sagt ihr zu meinem neuen Outfit, bin ich nicht der perfekte Ghost?«
Devon zog eine Augenbraue hoch und musterte den ehemaligen Detective. Bevor sie mit der Lasarew losgeflogen waren, hatten sie sich mit den Credits von Phobos Ausrüstung und neue Kleider beschafft. Jetzt trug Walker eine schwarze Kampfweste aus einem modernen Polymerverbund. Darüber trug er einen glatten Ledermantel, der ihm bis knapp über die Knie reichte. Die wuchtigen Stiefel schienen für den Weltuntergang geschaffen zu sein. Als auffälligstes Accessoire hatte er einen dunklen Hut gewählt. Zusammen mit dem schweren Revolver von Nordström an seinen Hüften sah er aus wie ein moderner Sheriff.
Sethi grinste bösartig. »Hey Cowboy.«
Walker verzog das Gesicht enttäuscht.
»Banausen.«, sagte er. »Hüte sind wieder im Kommen.«
»Wenn du das sagst.«, sagte Devon und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Walker verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich bin Ghost-Agent, ich muss mir sowas doch von einem Gefangenen nicht anhören.«
Ihr gemeinsames Lachen verstummte nach ein paar Sekunden, als ihnen allen der Ernst der Lage wieder bewusst wurde.
»Wie schätzt ihr unsere Chancen ein?«, Die Sorge hatte sich einen Weg zurück in Walkers Gesicht gebahnt. »Ich nehme an, ihr habt mehr Erfahrung mit solchen Blindflügen.«
»Uns bleibt wohl nicht viel anderes übrig als zu improvisieren.«, sagte Devon. »Wir sollten uns Voronoff so schnell wie möglich schnappen. Mit einer Waffe unter der Nase wird er Nor schon rauszurücken.«
»Ist einen Versuch wert.«, stimmte Walker zu. »Aber was haltet ihr überhaupt von der ganzen Sache?«
»Was meinst du?«, fragte Sethi.
»Wenn Terranis wirklich so mächtig und so vorsichtig ist, wieso sperren sie dann einen ihrer ehemaligen Agenten in ein solches Gefängnis?« Walker zuckte mit den Schultern. »Ergibt irgendwie keinen Sinn für mich.«
Devon hatte auch schon darüber nachgedacht. Seine größte Sorge war, dass Phobos sie nur für seine Pläne benutzte und ihnen dabei etwas verschwieg.
»Stimmt. Wenn ich der Verantwortliche wäre, würde ich den Agenten einfach verschwinden lassen, und zwar endgültig.« Sethi sprach Devons Gedanken aus. »Was, wenn er gar kein Terranis-Agent ist und Phobos uns nur verarscht?«
Plötzlich baute sich hinter ihnen ein Hologramm auf. Es war jedoch nicht Phobos, sondern die Frau in dem weißen Kleid.
»Ich kann euch versichern, mein Meister hat kein Interesse daran, euch zu hintergehen.«, sagte sie mit einer mechanischen Maschinenstimme, die nur einen schwachen Unterton Menschlichkeit besaß. Es war ein Echo von Leben, als wäre sie irgendwann einmal ein Mensch gewesen, hätte das aber vor langer Zeit vergessen. Inzwischen wussten sie alle von Nyx, dass die Frau in Wirklichkeit eine hochentwickelte künstliche Intelligenz war, die auf den Namen Ree hörte. »Es ist die Wahrheit, der Mann, der sich dort in Gefangenschaft befindet, ist ein Agent von Terranis.«
»Und wieso sollten wir einem Stück Software wie dir glauben?«, Walker musterte das Hologramm mit einem verächtlichen Blick. »Wo du doch von ihm programmiert wurdest.«
»Ich bin ein mich autonom weiterentwickelndes System, das unabhängig von meinem Meister agiert.«, entgegnete sie. »Meine Schlussfolgerungen basieren auf Fakten. Anhand der Daten, die mir in diesem Fall zur Verfügung stehen, konnte ich eine dreiundsiebzigprozentige Wahrscheinlichkeit errechnen, dass es sich bei der Person in dem Gefängnis um einen Terranis-Agenten handelt.«
»Dreiundsiebzig Prozent Wahrscheinlichkeit?«, brummte Walker und verzog missmutig das Gesicht. Er schnippte seinen Zigarettenstummel durch das Hologramm. Ree reagierte nicht darauf. »Tollen Meister hast du da. Schickt uns anhand von Vermutungen in diese verfluchte Eiswüste, wo wir uns in einem Gefängnis für den Rest unseres Lebens den Arsch abfrieren werden, sollten wir auffliegen.«
Selbst Sethi konnte sich ein missbilligendes Lachen nicht verkneifen. Devon sah an Ree vorbei zu Nyx hinüber. Sie war komplett vertieft in die Systeme des Gleiters und schenkte dem Hologramm keine Beachtung.
»Wieso überrascht es mich nicht, dass du hier bist?«, fragte Walker.
»Ich habe keine Antwort auf diese Frage.«, antwortete Ree.
»Also beobachtet dein … Meister uns.«, sagte Devon.
»Nein, er ist derzeitig damit beschäftigt, die Datenbanken des Rats zu hacken. Er hat eine Einheit von mir in die Systeme des Gleiters geladen, um euch zu unterstützen, solltet ihr Hilfe benötigen oder weitere Fragen haben.«
»Klar doch, du bist nur zu unserer Unterstützung hier. Wie nett von deinem Meister.« Walker stieß ein trockenes, rauchiges Lachen aus. »Und ich dachte schon, du wärst hier, um uns auszuspionieren.«
»Das ist nicht Teil meiner Aufgabe.«
»Hört ihr das?«, fragte Walker, schenkte seinen beiden Kameraden einen kurzen Seitenblick und widmete sich erneut dem Hologramm. »Wir wissen, wieso du wirklich hier bist, also spar dir die Ausflüchte. Schließlich ist Vertrauen gut, aber Kontrolle noch besser, nicht wahr?«
»Vertrauen ist ein brüchiges Gebilde zwischen menschlichen Wesen, das darauf basiert, dass die involvierten Personen annehmen, der jeweils andere würde nichts zum eigenen Schaden unternehmen. Diese Annahme beruht zumeist auf Vertrauensgrundlagen wie langjähriger Freundschaft, gegenseitigen Vorteilen oder ähnlichen menschlichen Verhaltensweisen, deren Zuverlässigkeit äußerst fraglich ist.«
»Nette Definition.« Walker verdrehte die Augen. »Dann kennst du bestimmt auch die Definitionen von Kontrolle und Überwachung.«
Die KI sah Walker an. Ihr holografischer Körper war wunderschön, aber gleichzeitig so kalt und unnahbar wie eine Marmorstatue. »Mein Meister benötigt eure Hilfe, ihr habt sie ihm verwehrt und ihn durch eure Jagd in Gefahr gebracht. Um sich selbst zu schützen, muss er Kontrolle ausüben.«
»So kann man das auch sehen.«, stöhnte Sethi.
»Ich kann nicht verstehen, wieso ihr gegen ihn kämpft, wenn ihr doch dasselbe Ziel verfolgt wie er.«
Walker machte eine wegwerfende Geste. »Womöglich liegt dein Mangel an Verständnis daran, dass du ein verfluchtes Stück Software bist, das da irgendwo in den Speichern der Lasarew steckt.«
»Die Annahme, ich wäre nicht fähig zu verstehen, nur weil ich ein Programm bin, ist falsch, Detective Walker. Es fällt mir nur bisweilen schwer, menschliche Verhaltensweisen zu durchschauen, da sie oft nicht den Regeln der Logik folgen.«
»Menschen handeln nicht oft logisch.« Devon sah Ree in die Augen. »Wenn ihr mich entschuldigt, ich habe genug von Gesprächen mit Programmen und verrückten Computerfreaks.« Er legte sich wieder auf das Lager und starrte zur metallenen Decke hinauf. »Wir sollten alle die Zeit nutzen und uns etwas ausruhen. Es wartet eine schwierige Mission auf uns.«
»Ihr müsst so effizient wie möglich sein, ich werde euch nicht weiter aufhalten.«
Mit diesen Worten meldete sich die KI ab und verschwand. Walker starrte noch eine Weile auf die Stelle, an der Ree gerade noch gestanden hatte. Er sah erst Sethi dann Devon in die Augen und machte einen grimmigen Gesichtsausdruck, der stellvertretend für das stand, was sie alle empfanden. Er klopfte gegen die Wand. Ein metallisches Geräusch hallte durch den hinteren Bereich des Gleiters.
»Ich werde erst einmal meine neue Persönlichkeit kennen lernen.«, erklärte Walker und zog sich zu den Computersystemen in der Nähe von Nyx zurück.
»Ist gut, wir wechseln uns ab.«, sagte Devon und wandte den Kopf zur Seite, um Sethi anzusehen. Sie erwiderte seinen Blick.
»Was macht der Arm?«, fragte sie.
Devon bewegte ihn ein paar Mal testweise. Die Schussverletzung heilte dank ihrer Behandlung schnell.
»Noch ein bisschen steif, aber es sollte gehen.«
Sethi lächelte und legte sich dann auf das zweite Lager.
»Ich hab’s!«
Nyx’ Siegesruf ließ die anderen aufhorchen. Devon, der im hinteren Bereich Liegestütze machte und damit seinen verletzten Arm auf die Probe stellte, erhob sich und kam zu Nyx. Sethi und Walker standen bereits hinter ihr und starrten auf die Monitore.
Walker stützte sich auf die Rückenlehne ihres Stuhls. »Was hast du?«
Nyx machte ein freches Gesicht. Demonstrativ langsam drückte sie eine Taste. Das Licht im Gleiter flackerte kurz auf, dann zeichneten sich die Konturen von Ree an ihrer Seite scharf.
»Was hast du getan?«, fragte die KI.
Nyx drehte sich mit dem Stuhl in ihre Richtung. Alle Augen waren jetzt auf Ree gerichtet, deren Projektion zu flimmern begann.
Nyx schnippte mit den Fingern. »Ich entferne dich gerade aus dem System.«
Ree stand nur da, während sich ihre engelsgleiche Gestalt in Luft aufzulösen begann. Das Hologramm zuckte immer stärker, Fehler bildeten sich im digitalen Abbild der Frau.
Nyx überprüfte noch einmal kurz den Monitor. Ihre Finger glitten mit der schlafwandlerischen Sicherheit einer blinden Pianistin über die Tasten.
»Wehr dich nicht, du bist so gut wie gelöscht.«, sagte sie und wandte sich wieder Ree zu.
»Wie hast du das gemacht?«, fragte die KI und ihre Stimme verriet nichts von dem, was in ihrer Programmierung vor sich ging. Keine Anzeichen von Enttäuschung oder Wut waren zu hören.
»Ich konnte endlich deinen Code knacken und dich dann isolieren.«, Nyx verschränkte die Arme hinter dem Kopf und grinste selbstgerecht. »Tja, das ist der Nachteil, wenn man ein Programm ist, man kann einfach gelöscht werden.«
Und dann verschwand Rees Projektion endgültig. Es wurde übergangslos still. Nur das Säuseln der Triebwerke und Motoren drang durch die Zelle des Gleiters. Sethi, Walker und Devon sahen Nyx gleichzeitig an.
»Wie ich das gemacht habe?«, stellte sie die Frage stellvertretend für die anderen.
»Du hast sie gelöscht?«, fragte Devon überrascht. »Einfach so?«
»Einfach war es jedenfalls nicht.«, antwortete Nyx und versuchte ihren Stolz über die Tat gar nicht erst zu verbergen.
»Aber wie?«, wollte Walker wissen. »Ich dachte …«
»Phobos sei ein solches Genie?«, vollendete Nyx den Satz mit einer Prise Abscheu in ihrer Stimme. »Ich habe auch so einiges auf dem Kasten. Meine ganze Kindheit habe ich nichts anderes getan, als mich mit Computersystemen und Geräten zu beschäftigen. Ich kenne jeden Code, jedes Programm. Ich könnte sofort die Server des Rats hacken, wenn ich wollte.«
»Hey, Nyx.« Devon legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Wir wissen, dass du gut bist. Aber Phobos war uns bisher immer einen Schritt voraus.«
»Jetzt nicht mehr.«, sagte sie trotzig. »Ich wollte euch zeigen, dass ich hundertprozentig auf eurer Seite bin.«
»Wissen wir doch längst, Kleine.« Walker lächelte diesmal ganz ohne Spott. »Gut gemacht.«
Auch Sethi nickte ihr aufmunternd zu. Nyx schien erleichtert zu sein und lächelte ihrerseits. Dann wandte sie sich den Monitoren zu.
»Ich habe mir in den letzten zehn Stunden den Code der KI noch einmal genau angesehen. Inzwischen habe ich ein wenig Erfahrung damit.«, erklärte sie. »Ich will nicht behaupten, dass ich alles verstehe, aber ich bin der Sache auf jeden Fall näher gekommen. Und so konnte ich Ree aus dem System werfen. Sie wird uns nicht mehr beobachten.«
Walker richtete sich ganz auf und wedelte mit den Fäusten. »Hörst du das, du kleiner Pisser, dein Programm hat uns nicht länger in der Hand.« Er senkte die Fäuste wieder, wartete eine Weile und zuckte dann mit der Schulter. »Hat wohl funktioniert.«
»Und was jetzt, ändern wir den Plan?«, wollte Sethi wissen.
Devon schüttelte den Kopf. »Nein, wir müssen das durchziehen. Es ändert nichts an unserer Situation. Wir können nun aber frei agieren und reden.«
»Was schlägst du vor?«
»Wir werden diesen Nor aus dem Gefängnis rausholen.«, sagte Devon entschlossen. »Wenn er wirklich etwas weiß, ist er für uns genauso wertvoll wie für Phobos. Außerdem hat Phobos eine Sache nicht bedacht.«
»Und die wäre?«, fragte Nyx.
»Wenn wir Nor haben, er aber keine KI mehr, die ihn mit Informationen versorgt, muss er mit uns verhandeln.«
»Er wird uns wieder drohen.«, gab Sethi zu bedenken.
»Dann soll er es tun.«, sagte Devon hart. »Wenn er es wagt, etwas Dummes zu tun, wird er Nor niemals in die Finger bekommen. Wenn der Kerl ihm wirklich so wichtig ist, wird er sich hüten, uns noch einmal zu verarschen.«
Walker nickte und kratzte sich am Unterkiefer. »Das könnte klappen. Ohne seine KI, die jeden unserer Schritte verfolgt, hat er keine Überwachungsmöglichkeiten. Phobos ist ein Kontrollfreak. Er ist es gewohnt, immer alles unter Kontrolle zu haben. Wenn wir ihm die wegnehmen, wird er bestimmt nervös.«
»Dafür müssen wir aber erst einmal die Zielperson aus der Gefangenschaft befreien.«, warf Sethi ein.
»Können wir das überhaupt schaffen?«, fragte Nyx und ihren Augen war abzulesen, dass sie niemand war, der sich gerne in Gefahr begab, zumindest nicht in der realen Welt. »Wir wissen doch gar nicht, was uns dort erwartet.«
Walker präsentierte zwei Reihen weißer Zähne. »Das machen wir doch mit links.«
Doch Nyx wirkte nicht beruhigt. Sie trug ihre Angst vor dem Kommenden offen zur Schau. Devon konnte es ihr nicht verübeln. Egal wie oft er in einen Einsatz ging, es war immer schwierig und auch er hatte jedes Mal davor ein unangenehmes Gefühl.
»Ich weiß nicht, ob ich das hinkriege.«, gestand sie beschämt.
Devon sah ihr tief in die Augen, als wollte er ihrem unsicheren Blick damit Halt geben.
»Vertrau uns, gemeinsam kriegen wir das hin.«, versprach er. »Du musst dir keine Sorgen machen. Inzwischen weißt du, was wir schon alles überstanden haben. Anila und ich haben uns damals alleine durch ein Schlachtfeld gekämpft, sind in ein von Rebellen besetztes Gebäude reinmarschiert, haben die Ratsvorsitzende Collins befreit und sind dann einfach abgehauen und das alles direkt vor der Nase des unbezwingbaren Crow.«
»Wenn du das sagst, klingt es so einfach.«, sagte Nyx. »Ihr könnt alle kämpfen, ich aber nicht.«
Devon schüttelte den Kopf. »Einfach war es zu keiner Sekunde. Wir haben es nur geschafft, weil wir zusammengehalten und einen kühlen Kopf bewahrt haben. Jeder hat eine Aufgabe, die nur er erfüllen kann. Deine ist das Computersystem in dem Gefängnis. Das Kämpfen und Reden lass alleine unser Problem sein.«
»Devon hat Recht.«, sagte Sethi. »Das einzige Sorgenkind hier ist Garreth. Der vermasselt die Dinge gerne, wenn er nicht gerade von jemandem in den Standby-Modus geschickt wird.«
Walker stieß Sethi locker an, was genügte, um sie beinahe umzuwerfen. »Hör nicht auf die.« Er blinzelte Nyx an. »Ich bin der unsterbliche Deathwalker, schon vergessen?«
Damit entlockte er ihren verunsicherten Zügen ein schwaches Lächeln.
»Halte dich einfach an uns, bleib im Hintergrund und wir kriegen das hin.«, sagte Devon und seine Stimme wurde etwas ernster. »Denn ohne dich klappt es nicht. Das Gefängnissystem ist dein Schlachtfeld und niemand von uns kämpft dort wie du.«
Devon erkannte, dass sie zu ihr durchgedrungen waren, auch wenn sich die Angst nicht so leicht vertreiben ließ. Nyx schien neues Selbstvertrauen getankt zu haben.
Sie atmete tief durch und nickte dann. »Okay.«
»Gut.« Devon klatschte in die Hände. »Dann bereiten wir alles vor. In zwei Stunden landen wir. Und vergesst nicht, es wird kalt.«
Kapitel 2 (Gesamter Text)
2 – ewiges Eis
Antarktis
Die Antarktis war eine endlose Eiswüste. Egal wie weit das Auge blickte, es existierten nur Nuancen von Weiß und Blau. Es war eine fremde Welt voller unwirklicher Gebilde, überzogen mit einer Schicht aus unbarmherziger Kälte. Während Devon hinter dem Pilotenstuhl saß und auf die breiten Panoramabildschirme des Gleiters blickte, überkam ihn ein Gefühl des Friedens. An diesem Ort schien die Zeit stillzustehen, als hätte sich gefrorener Schlaf über alles gelegt. Alles war konserviert, sogar seine Gedanken, so schien es. Nicht einmal die Erderwärmung hatte der Antarktis ernsthaft zusetzen können. Die eisigen Temperaturen waren nur um wenige Grade gestiegen, während der Rest der Welt mit einem viel stärkeren Anstieg zu kämpfen hatte. Den Eismassen hatten diese Veränderungen nur wenig anhaben können.
Wortlos beobachtete Devon, wie sich die weiße Landschaft unter ihnen ausbreitete. Gletscher, abstrakte Eisformationen und endlose Ebenen, so flach wie Landefelder, wechselten sich ab. An diesem Ort herrschte noch Frieden. Keine Intrigen, keine Kämpfe, keine Kriege und keine Verschwörungen. Nur die Natur in stillem Einklang mit der Kälte. Dies war kein Platz für Menschen, deswegen mieden sie ihn.
Voronoff hatte sich den perfekten Ort für sein Gefängnis ausgesucht. Sollte jemand wider Erwarten fliehen können, fand er sich in einer schier endlosen Eiswüste wieder, aus der es kein Entrinnen gab.
Walker lümmelte im Pilotensitz und überließ es dem Autopiloten, den Gleiter über die faszinierende Landschaft zu steuern. »Hoffentlich frieren meine Systeme nicht ein, ich weiß nicht, ob sie für diese Temperaturen ausgelegt sind.«
»Wir wollen ja auch kein Picknick da draußen machen.«, sagte Devon.
»Hoffentlich geht die Scheiße nicht komplett schief.« Walker hielt Devon seinen Flachmann hin. Der zögerte jedoch. »Komm schon, ist nur eine kleine Stärkung. Ich bekomm schon Erfrierungen, wenn ich nur raus schaue.«
Devon nahm das Angebot an und nippte am Flachmann. »Brandy?«
»Ist so gut wie jedes andere Zeug.«, antwortete Walker. »Könnte genauso gut Altöl schlucken.«
»Wieso trinkst du dann?«
»Alte Angewohnheit schätze ich.« Walker zuckte mit den Schultern. »Außerdem mag ich den Geschmack.«
»Hm.«, machte Devon und gab den Flachmann zurück.
Walker nahm selbst einen Schluck und starrte weiter auf den Panoramabildschirm. »Wenn bei all der Scheiße etwas schiefgeht …« Er nahm noch einen Schluck und machte eine längere Pause, ehe er weitersprach. »Mach, dass der Sensenmann mich nicht noch einmal vergisst.«
Erst jetzt wandte er Devon den Kopf zu. Sein Blick war verändert. Devon glaubte den Ausdruck in seinen Augen zu kennen, auch wenn sie nur künstliche Maschinenteile waren. Er erkannte dieses vertraute Etwas, das nur zutage trat, wenn niemand anders hinsah, wenn das Chaos im eigenen Kopf seinen Lauf nahm und keine gewaltsam geschaffene Maske es verstecken musste. Es war wie ein Spiegel, der die grausame Wahrheit reflektierte.
»Unter einer Bedingung.«, sagte Devon.
»Und die wäre?«
»Dass du dasselbe für mich tust.«, antwortete Devon ernst. »Ein Mann sollte sterben dürfen, wenn seine Zeit gekommen ist. Keine Tricks, kein Wiedererwecken.«
Devon spürte die forschenden Augen von Walker auf sich ruhen. »Dein Wort in Gottes Ohren.« Er streckte ihm die Hand entgegen und wartete darauf, dass Devon sie ergriff. Dann schüttelten sie sich die Hände.
»Deal.«
Walker bot ihm noch einmal einen Drink an, doch Devon lehnte ab. Er wollte seine Sinne nicht unnötig belasten. Schon in wenigen Minuten würden sie landen. Für ein paar Minuten teilten sie die Stille und den Anblick der eisigen Landschaft.
»Glaubst du, sie wird es schaffen?«, fragte Walker irgendwann.
»Nyx?«
Walker nickte.
»Lass sie ihre Arbeit machen und nicht reden, dann schafft sie das.«
»Scheiße, ich weiß nicht.«
»Hey, ich bin der Gefangene, Ghostagent Edward Leet.«, sagte Devon und konnte seinem Kameraden ein Grinsen entlocken.
Walker nahm die Füße plötzlich von den Armaturen und deutete auf den Panoramabildschirm. »Da.«
Devon folgte seinem Fingerzeig und erkannte die schwarzen Punkte inmitten des stechend weißen Eises.
»Sag den anderen, dass es losgeht.«, sagte Walker.
Devon nickte und ging nach hinten. Sethi trug einen eng anliegenden, dunkelgrauen Ganzkörperanzug aus verstärkten Polymeren und schloss gerade die dünne, schwarze Schutzweste darüber, die ihren Oberkörper vor den meisten Standardprojektilen und Stichangriffen bewahren sollte. Nach und nach bestückte sie die unzähligen Taschen mit Ausrüstungsgegenständen und Magazinen. Am Ende befestigte sie eine Handfeuerwaffe an der seitlichen Magnethalterung, ein Messer an der Weste vor ihrer Brust und warf sich zuletzt die Maschinenpistole Marke Wolve um den Hals. Sie sah wieder ganz wie die Kämpferin aus, die Devon kannte und schätzte.
Nyx hatten sie in einen ähnlichen Anzug gepackt, was ihr sichtlich missfiel. Im Gegensatz zu Sethi trug sie aber weniger Ausrüstung mit sich herum. Stattdessen war ein Techmodul an ihrem Unterarm angebracht. Nur mit der Pistole konnte sie nichts anfangen.
»Es ist soweit.«, verkündete Devon, nahm ihr die Waffe aus der Hand und befestigte sie an der Magnethalterung ihres Anzugs. Er klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. »Wir landen in einer Minute.«
Er warf sich einen grauen Mantel über seine schlichte Kleidung als Gefangener und zog sich noch eine schwarze Mütze über den Kopf. Sethi legte ihm elektronische Handschellen an, deren Mittelteil starr war und seine Bewegungsfreiheit einschränkte. Mit einem einfachen Knopfdruck war es möglich, Devon einen Stromschlag zu verpassen. Er konnte die magnetische Verbindung zwischen den Handschellen jederzeit selbst lösen, auf eine Waffe musste er dennoch verzichten, da sie jeder Scan sofort gezeigt hätte.
Devon sah Nyx in die Augen und erkannte die Nervosität in ihrem Blick. Sie bereitete ihm bei der Aktion am meisten Sorgen.
»Keine Sorge, wir bleiben immer zusammen.« Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. »Lass einfach Garreth reden.«
Sie nickte und atmete tief durch. »Okay.«
Devon spürte, wie der Gleiter langsamer wurde. Sethi gab Nyx das Zeichen, die Sturmhaube überzuziehen, und tat es dann selbst. Anschließend bedeckten sie ihre Augen mit Sonnenbrillen.
Ein Vibrieren ging durch die Innenzelle des Gleiters, als Walker ihn landete. Nach einem letzten Ruck beruhigte sich das Fluggerät. Die Maschinen liefen langsam aus und waren bald kaum noch zu hören.
Walker kam nach hinten. »Es ist ein sonniger Tag bei minus siebenundzwanzig Grad, also halb so schlimm. Offenbar haben wir uns die richtige Jahreszeit ausgesucht. Im Sommer sinken die Temperaturen hier auf bis zu minus siebzig Grad.«
»Ein tröstender Gedanke.«, sagte Devon und verzog das Gesicht. »Überprüft noch einmal euren Commlink.«
»Steht.«, sagte Sethi zuerst.
»Meiner auch.«, sagte Nyx.
»Alles klar.«, bestätigte auch Devon.
Die Kommunikationsmodule ihrer Implantate waren jetzt miteinander verbunden.
»Okay, dann lasst uns diesen Nor da rausholen.«, sagte Devon. »Bleibt ruhig, dann läuft die Sache. Wir wissen zwar nicht, was genau uns erwartet, aber kein Einsatz verläuft so, wie man ihn geplant hat. Denkt einfach an den Plan: Wir halten das Schauspiel solange am Laufen, bis sich eine Möglichkeit bietet, Voronoff zu fassen. Nyx wird uns das hoffentlich erleichtern können. Also vergesst nicht, wer ihr heute seid und was unser Auftrag ist.«
»Ja und Devon ist ein mieser Verbrecher, nicht unser Freund, behaltet das immer im Hinterkopf.«, ergänzte Walker und sah ihn dann an. »Könnte heftig für dich werden.«
»Ich komm schon klar.«
»In Ordnung.«, sagte auch Sethi.
Nyx nickte nur.
»Perfekt, dann los.«
Walker betätigte den Öffnungsmechanismus der Seitentür des Gleiters. »Ich gehe voraus, Anila du übernimmst Devon, Nyx du bist das Schlusslicht.«
Die Tür öffnete sich und ein Schwall kalter Luft strömte in das Innere des Gleiters. Er raubte Devon für einen Moment den Atem. Dann traten sie hinaus in die Kälte.
Die Lasarew stand auf einem großen Landefeld, der Platz für zwei weitere Fluggeräte bot. Feiner Schnee wirbelte über den metallenen Untergrund wie kleine Wellen aus purer Kälte. Vor ihnen standen einige niedrige Gebäude, die trotz der Bemühungen des Personals von einer dünnen Schicht Eis und Schnee bedeckt waren. Ein größerer Gebäudeblock prangte in der Mitte. Darauf befanden sich technische Aufbauten wie Antennen und Satellitenempfänger. Devon glaubte in dem Gebäude die Zentrale der Forschungseinrichtung zu erkennen. Im Hintergrund breitete sich eine endlose Ebene aus Schnee und Eis aus. Davor war eine Solarfarm mit unzähligen Solarmodulen zu sehen, die sich wie kristallene Blumen automatisch nach der Sonne ausrichteten. Zwei Gestalten in dicken Anzügen waren gerade damit beschäftigt, die Module mit unhandlichen Geräten vom Eis zu befreien. Ein Stück weit davon entfernt drehten sich riesige Windräder für zusätzlichen Strom. Walker setzte sich in Bewegung. Unter ihren Schritten knirschte das gefrorene Wasser wie zermahlene Steine. Schneewehen tanzten an ihren Füßen vorbei, als wollten sie die kleine Gruppe auf dem kalten Kontinent willkommen heißen.
Sie passierten zwei große Schneeraupen. Die Stille hatte an diesem gottverlassenen Ort ein ganz besonderes Niveau erreicht, das nur vom Gesang des eisigen Windes unterbrochen wurde.
Devon konnte den Schnee riechen und glaubte ihn auch mit jedem Atemzug schmecken zu können. Kälte machte ihm nichts aus, aber er war dennoch froh, dass die Temperaturen gemäßigt waren. Es war ein klarer Tag und die Sonne stand hoch am Himmel. Ihr gleißender Blick war inmitten der Kälte beinahe schmerzhaft. Wortlos marschierten sie weiter.
Ein Mann und eine Frau tauchten aus einem der kleineren Nebengebäude auf, warfen ihnen einen kurzen Blick zu und verschwanden dann hinter einem anderen Gebäude. Alle Implantate von Devon liefen im Gefechtsmodus, sein Sichtfeld war erweitert, sein Gehör optimiert. Er war bereit für einen Kampf. Doch jetzt lag es erst einmal an Walker, ihre Geschichte glaubwürdig zu verkaufen. Wenn das nicht klappte, würde alles nur noch schwieriger werden.
Wortlos stapften sie über die weiße Fläche hin zu dem großen Gebäude. Als sie auf wenige Meter herangekommen waren, verließen zwei Männer das Hauptgebäude. Devon konnte keine Waffen erkennen, aber er war sicher, dass sie bewaffnet waren. Sie trugen dicke Jacken, Hauben und Sonnenbrillen.
»Wer seid ihr?«, fragte der Kräftigere von beiden.
Walker, dessen Mantel im Wind wehte, holte seine Ghostmarke mit einer lässigen Bewegung hervor, als würde er das jeden Tag mehrmals machen. Für die Kälte war er viel zu leicht bekleidet mit seinem Mantel, was ihn aber nicht weiter zu stören schien. Es lag wohl an den Implantaten, die einen Großteil seines Körpers ausmachten.
»Ghostagent Edward Leet.«, sagte er, als ob der Name den Männern etwas sagen müsste. »Ich muss mit Voronoff sprechen.«
Devon beobachtete die beiden Männer, doch die Tatsache, dass Walker ein Ghost war, schien sie nicht zu beunruhigen. Der Kräftige musterte Walker nur eine Weile mit einem gesunden Maß an Misstrauen.
»Hier gibt es keinen Voronoff.«, antwortete er schließlich.
»Lassen wir die Spielchen!«, forderte Walker und deutete auf den Boden. »Ich weiß, dass sich hier unter dem Eis ein Gefängnis befindet. Ersparen Sie mir also das Getue und bringen Sie mich zu Voronoff.«
Der Mann schien nachzudenken, sah dann aber ein, dass es wohl nicht an ihm lag, eine Entscheidung zu treffen.
»Sie bringen einen Gefangenen?«, fragte er.
»Ist das so offensichtlich?«, entgegnete Walker zynisch. »Bringen Sie mich sofort zu Voronoff, bevor wir uns hier die Ärsche abfrieren.«
Der Mann gab ihnen ein Zeichen. »Folgt mir.«
Gemeinsam betraten sie das Gebäude, das sie mit einer angenehmen Wärme begrüßte. Sie durchschritten ein paar enge Gänge und kamen schließlich in eine größere Lagerhalle. Sie war ein Chaos aus Kisten, Metallbehältern, Fässern und einigen Geräten, teilweise versteckt unter dicken Plastikplanen. Der Mann führte sie direkt vor eine kahle, graue Mauer. Er berührte eine Stelle an der Seite der Wand, worauf ein Bedienfeld zum Leben erwachte.
»Alexander, Sie haben Gäste.«, sagte er auf Russisch. »Ein Ghost.«
Das Übersetzungsmodul von Devon sprang wie immer sofort an. Für einen Moment sah er nach Nyx, die hinter Sethi stand und alles andere als ruhig wirkte. Im Gegensatz zum Rest des Teams wechselte sie ständig von einem Bein auf das andere und wusste nicht wohin mit ihren Händen. Er hoffte zwar, dass es nur ihm auffallen würde, aber er gab sich diesbezüglich keinen Illusionen hin.
»Ein Ghost?«, drang eine fremde Männerstimme durch das Kommunikationsgerät. »Wie ist sein Name?«
»Edward Leet.«
Die Stimme schwieg für einen Moment. »Ich schicke euch den Aufzug.«
Der Mann wandte sich von der Wand ab und sah Walker an. »Der Aufzug bringt euch zu Voronoff.«
»Vielen Dank.«, antwortete Walker mit gerade genug Überheblichkeit, um keinen Hass zu schüren.
Es dauerte nicht lange und die Wand öffnete sich. Ein geräumiger, moderner Aufzug tauchte vor ihren Augen auf. Darin standen zwei dunkel gekleidete und maskierte Männer mit schweren Automatikwaffen und Schutzwesten. Sie traten zur Seite und ließen die Gruppe einsteigen. Walker zögerte keine Sekunde und bugsierte sein Team zwischen die beiden bewaffneten Wachen. Die zwei Männer der Forschungsstation blieben draußen. Nachdem sich die Türen geschlossen hatten, setzte sich der Aufzug in Bewegung.
Walker griff in eine seiner Taschen und klopfte sich eine Zigarette aus einer Schachtel. Er wollte sie gerade anzünden, als sich eine der Wachen ihm zuwandte.
»Rauchen ist hier verboten.«, sagte er.
Walker sah ihn für einen Moment an und antwortete dann, indem er die Zigarette entzündete. »Das diskutiere ich dann mit Ihrem Boss aus, okay?«
Die Wache verkniff sich einen weiteren Kommentar. Devon konnte nur hoffen, dass es Walker nicht übertrieb. Andererseits würde sich ein Ghost wohl auch nicht von einem beliebigen Wachmann einschüchtern lassen. Er hatte nie die Möglichkeit gehabt, das näher herauszufinden.
Trotz ihrer Lage fragte er sich, ob er über kurz oder lang auch so geworden wäre, abgehoben, arrogant und elitär? Devon löschte die Frage aus seinem Gedächtnis, da sie keinen Wert mehr besaß.
Sethi blieb immer hinter Devon und hielt ihm die Maschinenpistole in den Rücken. Nyx stand jetzt seitlich von Devon. Ihre Haltung war nicht unbedingt von Ruhe und noch weniger von Selbstbewusstsein geprägt und militärisch war sie ganz bestimmt nicht. Doch solange das Interesse nur Walker und seinem Gefangenen galt, sollte sie hoffentlich nicht weiter auffallen.
Der Aufzug hielt und die Türen öffneten sich vor ihnen zu einem breiten Gang. Auch hier war das fleckige Grau von Stahlbeton allgegenwärtig. Dicke Kabelstränge und Rohre drängten sich an der kahlen Decke. Längliche, mit Stahlrahmen versehene Lichtelemente tauchten den Gang in klares, weißes Licht. Ein schweres, doppelläufiges Deckengeschütz starrte sie mit seinem roten Kameraauge drohend an.
Dann tauchte Voronoff auf. Er näherte sich ihnen in einem edlen, grauen Anzug, flankiert von zwei weiteren Wachen, die wie Klone der ersten aussahen. Wegen ihrer Masken konnte man sie maximal an ihrer Körperstatur unterscheiden. Hinter den Sturmhauben lagen wachsame Augen, die jede ihrer Bewegungen genau verfolgten.
Voronoff war ein gutaussehender Mann. Das Alter hatte ihm nicht viel anhaben können. Er hatte ein längliches Gesicht mit markanten Zügen, das von zwei klugen und gleichzeitig gefährlichen Augen beherrscht wurde. Das teilweise ergraute Haar hatte er klassisch nach hinten gekämmt. Er trug einen dichten, sorgsam gepflegten Bart, ganz im Gegensatz zu Devon. Unter dem maßgeschneiderten, hellgrauen Anzug trug er ein weißes Hemd, deren obere Knöpfe er geöffnet hatte, was einen entspannten Eindruck vermittelte.
Seine Augen funkelten Devon neugierig an. Der erwiderte den Blick finster.
Nach einer kurzen Musterung wandte sich Voronoff an den rauchenden Walker. Der Gefängnisbetreiber versuchte erst gar nicht, seinen prüfenden Blick zu verbergen. Der Augenblick zog sich unangenehm in die Länge, während Walker entspannt an seiner Zigarette zog.
»Wen darf ich in meiner Anlage willkommen heißen?«, fragte Voronoff mit der Stimme eines Mannes, der schon sehr viel erlebt und noch mehr verdrängt hatte. Sein ansonsten einwandfreies Englisch war von einem leicht russischen Akzent durchsetzt.
Walker holte abermals seine Ghostmarke hervor. Er schien der Einzige im Team zu sein, dem seine Rolle Spaß bereitete. »Ghostagent Major Edward Leet.«, verkündete Walker und deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Das ist mein Team und der da mein Gefangener.«
Voronoffs Blick wanderte über die Anwesenden. Devon dachte kurz daran, den Gefängnisbetreiber bereits jetzt gefangen zu nehmen, doch im Moment war es noch zu gefährlich. Hinter ihnen standen zwei Wachen, vor ihnen zwei weitere und über ihnen hing das schwere Geschütz. Wenn sie Voronoff nicht sofort in die Hände bekamen, würden ihre Innereien schneller die Betonwände bedecken, als ihnen lieb war. Das schien auch Walker zu erkennen, denn er war es, der mit einem einfachen Gedankenbefehl das Zeichen zum Angriff geben musste.
»Major, Sie scheinen über mich …«, Voronoff machte eine Geste, die das Gefängnis umfassen sollte. »… und meine Anlage bereits im Bilde zu sein.«
»Natürlich.«, sagte Walker sachlich. »Sonst wäre ich wohl nicht hier.«
Voronoff setzte ein präzises Lächeln auf seine Lippen, doch seine Augen blitzten gefährlich.
»In der Tat.«, sagte er und fokussierte Devon. »Welchen neuen Gast haben Sie mir denn da mitgebracht, Major? Irgendwie kommt mir der Mann bekannt vor.«
Walker sah Devon mit einem so hasserfüllten Blick an, dass Devon für einen Moment geneigt war, ihm das Schauspiel abzukaufen. Dann fuhr ein Energiestoß durch die Handschellen. Devon stöhnte auf, als die Entladungen durch seinen Körper rasten und sich seine Muskeln zusammenzogen. Er konnte sich aber auf den Beinen halten.
»Er ist eine Schande für jeden Ghost.«, knurrte Walker. »Ich darf Ihnen den ehemaligen Helden von Johannesburg und Schlächter von London vorstellen.«
Devon sah die Erkenntnis in den Augen von Voronoff aufflackern.
»Major Devon Reeves.«, stellte er überrascht fest.
»Ehemaliger Major.«, korrigierte Walker.
»Ich dachte, er sei längst weggesperrt.«
»Offiziell ja.«
»Der Held von Johannesburg soll Gast in meinem Haus werden?«
»Ja.«, antwortete Walker. »Er muss von der Bildfläche verschwinden!«
»Fick dich, Leet!«, stieß Devon hervor und erhielt als Antwort einen weiteren Stromstoß.
»Halten Sie Ihr Maul, Reeves.«, zischte Walker. »Man hätte Sie nie in den Rang eines Ghosts erheben dürfen.«
»Faszinierend.«, sagte Voronoff interessiert. Er schien angebissen zu haben. Nyx war nun nur noch ein farbiger Fleck am Rande seines Sichtfelds. »Folgen Sie mir bitte, dann können wir uns ungestört unterhalten.«
Voronoff wandte sich um und ging los. Unter dem drohenden Blick des Kameraauges folgten sie dem Gefängnisbetreiber. Das Wachpersonal blieb direkt hinter ihnen. Je tiefer sie in das Gefängnis vordrangen, desto mehr verschlechterte sich das Signal des Commlinks, bis es schließlich ganz ausfiel. Es mussten Störsender existieren, die ihre Signale blockierten. Devon fluchte innerlich. So konnten sie ihre Aktionen nicht mehr synchronisieren und waren auf ihre Reaktionsfähigkeit angewiesen. Und genau diese Sekundenbruchteile genügten oft, um eine Situation eskalieren zu lassen. Nyx schien es auch bemerkt zu haben, denn sie warf Devon immer wieder Blicke zu. Er konnte ihre Augen hinter der Sonnenbrille nicht erkennen, aber er war sicher, dass in ihnen die Sorge in dicken Großbuchstaben geschrieben stand. Devon schüttelte kaum merklich den Kopf, in der Hoffnung, sie würde den Blickkontakt in Zukunft unterlassen.
Als sich der Gang vor ihnen zum eigentlichen Gefängnisbereich öffnete, machte Voronoff halt. Ein Sicherheitscheck wartete auf sie. Der Gang teilte sich in den gläsernen Zylinder eines Personenscanners und eine Sperre, über der erneut ein automatisches Geschütz angebracht war. Eine einzelne Wache stand hinter der Sperre und salutierte vor Voronoff.
Der wandte sich den Neuankömmlingen zu.
»Ich bitte Sie, hier Ihre Waffen abzugeben.«, sagte er freundlich, aber bestimmt.
Walker ließ den Rest seiner Zigarette auf den Boden fallen.
»Das können Sie vergessen.«, sagte er mit einer Stimme, die keine Widerrede duldete. Doch Voronoff blieb genauso gelassen.
»Major Leet, ich muss leider darauf bestehen, dass Sie und Ihr Team die Waffen abgeben, andernfalls muss ich Sie bitten, meine Einrichtung zu verlassen.«
»Ich bin Ghostagent, falls Ihnen das entgangen sein sollte.«, beharrte Walker und stemmte die Hände demonstrativ in die Seiten, sodass der Mantel etwas zurückwich und der Nordström zum Vorschein kam. »Mein Revolver und ich bleiben zusammen, wenn Sie verstehen.«
Devon versuchte zu erkennen, was hinter der stoischen Miene von Voronoff vor sich ging. Walkers Worte schienen ihn nur wenig zu beeindrucken.
»Major, ich bin mir Ihres Ranges sehr wohl bewusst, allerdings ändert das nichts an den Regeln hier. Ich werde selbst für einen Mann von ihrem Rang keine Ausnahme machen, denn andernfalls würde ich die Sicherheit dieser Anlage riskieren. Und wie Ihnen zweifellos bekannt sein dürfte, erwarten meine Kunden höchste Sicherheitsstandards. Sie haben also die Wahl: Seien sie unbewaffnet meine Gäste oder verlassen Sie uns bewaffnet.«
Walker und Voronoff starrten einander an. Devon bemerkte, wie Nyx an ihrer Seite immer nervöser wurde. Angreifen konnten sie auch nicht. Voronoff war weiterhin viel zu gut geschützt. Mit der Erfahrung und den Instinkten eines alten Spions blieb er stets etwas außerhalb ihrer Reichweite und in der Nähe seiner Männer. Devon registrierte, wie sich die Finger der Wachen fester um die Waffengriffe schlossen.
»Scheiße gelaufen Leet, was?«, fragte Devon jäh, um die Situation zu entschärfen und die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Walker reagierte sofort und stieß ihm den Ellenbogen in den Bauch. Obwohl Devon sicher war, nur eine minimale Dosis seiner kybernetischen Kräfte abbekommen zu haben, genügte es, um ihm die Luft aus den Lungen zu pressen. Er hustete und schnappte nach Luft.
»Sie halten die Klappe, Reeves!«, befahl Walker und wandte sich mit einem selbstbewussten Grinsen an Voronoff. »Sie lassen sich nicht einschüchtern.« Er zog seinen Revolver und reichte ihn Voronoff persönlich. »Die Gerüchte stimmen also, das gefällt mir. Aber behandeln Sie mein Baby gut.«
Voronoff wog den wuchtigen Revolver in seiner Hand und betrachtete ihn eine Weile. »Und Sie haben Geschmack, was die Wahl Ihrer Waffe angeht.«, stellte der Gefängnisbetreiber anerkennend fest. »Obgleich ich persönlich eine Turov K83 bevorzuge.«
Walker und Sethi gaben ihr gesamtes Sortiment an Waffen ab, nur Nyx vergaß offensichtlich, dass auch sie eine Pistole an ihrer Seite trug. Voronoff beäugte sie deswegen misstrauisch. Als sie seinen Blick auf sich spürte, zuckte sie für alle erkennbar zusammen. Devon stockte der Atem.
»Lieutenant Enos.«, fuhr Walker sie scharf an. »Auch Sie sind eingeladen, Ihre Waffe abzugeben. Oder glauben Sie, man würde für Neulinge wie Sie eine Ausnahme machen?«
Nyx nickte hastig und löste die Waffe von der Magnethalterung. Sie stellte sich so ungeschickt an, dass sie die Pistole beinahe fallen gelassen hätte, doch schließlich reichte sie die Wolve einer Wache.
»Entschuldigen Sie.«, flüsterte sie eingeschüchtert.
»Reißen Sie sich zusammen, Lieutenant!«, schäumte Walker und warf ihr einen strengen Blick zu. »Ich warne Sie, ich verfüge über eine äußerst niedrige Fehlertoleranz, auch wenn das Ihr erster Einsatz in meinem Team ist. Lieutenant Abel war ein ausgezeichneter Mann und ich erwarte mir nicht weniger von Ihnen.«
»Ja, Major.«, presste Nyx zwischen den Lippen hervor.
»Verzeihen Sie ihr.«, sagte Walker an Voronoff gerichtet. »Haben mir doch glatt einen verdammten Rookie von der Cyberwar-Akademie untergeschoben.«
Der winkte aber nur ab. Sein Interesse für Nyx schien schon wieder verflogen zu sein. Devon atmete erleichtert auf.
»Bitte betreten Sie jetzt einzeln den Scanner.«, sagte die Wache an der Sperre, die ein Datapad von der Wand genommen hatte.
Walker betrat als Erster den Zylinder. Ein kurzes Summen ging durch den Scanner, dann war der Scanvorgang abgeschlossen. Auf der anderen Seite öffnete sich die Vorrichtung wieder und Walker trat heraus. Voronoff zog die Augenbrauen hoch, als er die Scans auf dem Datapad begutachtete.
»Durch und durch getecht.«, sagte Walker so stolz, dass man glauben könnte, er wäre es wirklich.
Er machte seine Sache sehr gut, das musste Devon einräumen. Vermutlich besser als er es je gekonnt hätte.
»In der Tat.« Voronoff hob eine Augenbraue. »Mir war nicht bewusst, dass das technisch bereits möglich ist.«
»Es ist alles möglich, das versichere ich Ihnen.«, sagte Walker.
»Sie sind ein verdammtes Monster.«, warf Devon ein.
Ein unbehaglicher Ausdruck huschte über das Gesicht von Walker. »Wenn es nach mir ginge, würde ich Ihnen mit bloßen Händen die Wirbelsäule herausreißen.«
»Tut es aber nicht.«, sagte Devon und erhielt dafür abermals einen Elektroschock, der ihn zum Schweigen brachte.
Voronoff verfolgte den kleinen Disput mit steigendem Interesse. Devon erkannte es in seinen Augen. Noch verlief alles nach Plan, außer dass sie jetzt keine Waffen mehr hatten. Die verschwanden gerade in einem Lager in der Wand.
Es folgten die Scans des restlichen Teams. Devon wurden die Handschellen abgenommen und stattdessen ein schlichtes Armband angelegt.
»Dieses Armband weist all unsere Gäste als Gefangene aus.«, erklärte Voronoff. »Sollte ein Gast den für ihn bestimmten Bereich verlassen, eröffnen die Automatengeschütze sofort das Feuer.«
»Nett.« Walker grinste Devon mordlustig an. »Haben Sie das gehört, Reeves? Sie sind jetzt ein Gast.«
Devon verzichtete auf eine Antwort.
Kapitel 3 (Gesamter Text)
3 – Gästezimmer
Geheimgefängnis – Kostroma-Station
Der Gang mündete in einen großen kreisförmigen Bereich, der sich mehrere Stockwerke in die Tiefe erstreckte. Das gesamte Gefängnis schien wie ein Bohrkopf in die Erde getrieben worden zu sein. Hinter der Fassade war es ein alter Bunker, den man mit moderner Hardware aufgemotzt hatte. Das oberste Stockwerk unterschied sich dabei deutlich von den unteren und bestand aus einem großen Aufbau in der Mitte, der mit breiten Fenstern ausgestattet war. Hinter dem Sicherheitsglas konnte Devon zwei Männer vor einem Hintergrund aus Konsolen und Bildschirmen erkennen. Dieser zentrale Bereich war durch vier Stege mit den vergitterten Gängen am Rand der kreisförmig angelegten Anlage verbunden. Das fleckige Grau der äußeren Wände war regelmäßig von alten Sicherheitstüren unterbrochen.
»Das ist der Kern der Kostroma-Station.« Voronoff deutete auf die zentrale Einrichtung. »Dieser Teil hier gehörte früher zur Forschungseinrichtung, den Rest haben wir später erweitert.«
Der Gang war mit dicken Gitterstäben gesichert und bot gerade genug Platz, dass drei Männer nebeneinander gehen konnten. Devon warf einen Blick hinunter. Es gab weitere fünf Stockwerke, die etwas moderner aussahen als das oberste. Vor allem war die Dichte an Türen höher, jede mit einer Zahl beschriftet. Devon erkannte massive Sicherheitstüren aus Stahl und modernen Verbundstoffen. Die einzelnen Stockwerke waren durch schmale Verbindungsgänge miteinander verbunden.
»Weiter.«, brummte Sethi und stieß ihn von hinten an.
Devon wandte sich ab und beschleunigte seine Schritte. Ein Mann in der Kluft eines Technikers kam an ihnen vorbei. Er salutierte vor Voronoff und verschwand dann hinter einer der gepanzerten Türen.
Voronoff führte sie in einen elegant eingerichteten Besprechungsraum. Ein massiver Tisch aus echtem Holz thronte in der Mitte des Raums, umgeben von Stühlen mit Echtlederbezügen. Ein aufwendig gestalteter Kronleuchter spendete angenehm warmes Licht. An den Wänden hingen abstrakte Gemälde, in denen Devon nur ein Chaos aus Farben erkannte. Der Raum hatte eine ganz besondere Schwere an sich.
Voronoff deutete auf die leeren Stühle. »Bitte nehmen Sie Platz.«
Zwei der Wachen postierten sich hinter ihnen. Voronoff war kein Mann, der etwas dem Zufall überließ. Das erleichterte die Sache nicht unbedingt. Auch hier bot sich ihnen keine realistische Angriffsmöglichkeit, schon gar nicht ohne eigene Waffen. Wenn sie schnell genug angriffen, konnten sie Voronoff womöglich in ihre Gewalt bekommen, aber nicht ohne Verluste. Das Risiko war einfach zu groß. Devon hoffte, dass Walker ebenso dachte. Sie würden wohl doch erst das Vertrauen des Gefängnisbetreibers gewinnen müssen. Vielleicht konnte auch Nyx mit ihren Fähigkeiten genügend Verwirrung stiften. Sie mussten flexibel sein, wenn sie diesen Auftrag überstehen wollten.
Einen Moment lang fragte sich Devon, wieso sie sich überhaupt auf diese wahnwitzige Aktion eingelassen hatten. Was hatten sie erwartet? Dass sich Voronoff von selbst auf dem Silbertablett präsentierte? Nein, es war von Anfang an klar gewesen, dass es nicht so einfach werden würde. Jetzt mussten sie improvisieren.
Voronoff nahm ihnen gegenüber Platz und betätigte ein schwarzes Bedienfeld, das in den breiten Tisch aus dunklem Holz eingelassen war.
»Emilia, bringen Sie uns doch bitte ein paar Erfrischungen.«
»Natürlich, Alexander.«
Voronoff lehnte sich zurück und legte die Hände mit ineinander verschränkten Fingern auf den Tisch. Dabei wurde ein schwerer, goldener Siegelring erkennbar.
»Dürfte ich Ihre beiden Kameradinnen bitten, die Kopfbedeckungen und Brillen abzunehmen.«, sagte er mit einem Ton, der gleichzeitig freundlich und fordernd war.
Walker nickte Sethi und Nyx zu und sie taten, wie ihnen befohlen wurde. Voronoff unterzog die beiden einer genauen Musterung und lächelte geschäftlich. »Sie haben auch einen guten Geschmack, was Ihr Team betrifft.«
»Kommen wir dann bitte zur Sache.«, drängte Walker, um das Interesse von Voronoff erneut auf sich zu lenken.
Der öffnete seine Hände für einen Moment als Zeichen der Zustimmung. »Wie Sie wollen. Bevor wir beginnen, muss ich jedoch darauf bestehen, Ihre Identitäten zu überprüfen.«
Walker lehnte sich halb in den Sessel und machte eine einfache Geste, die seine Gleichgültigkeit ausdrücken sollte. »Tun Sie sich keinen Zwang an.«
Voronoff benutzte das Bedienfeld um eine Konsole aus dem Tisch fahren zu lassen. Eine Holotastatur baute sich vor ihm auf, während sich Datenfenster auf das transparente Display schoben. Er tippte etwas in das Gerät ein, was ihren Blicken jedoch verborgen blieb. Während sich Voronoff mit der Konsole beschäftigte, betrat eine hübsche, junge Frau den Raum. Sie brachte mit einem professionellen, aber distanzierten Lächeln die bestellten Getränke. Ihr langes, blondes Haar wippte bei jeder eleganten Bewegung ihrer endlosen Beine. Die roten Lippen hoben sich von der hellen Haut in ihrem Gesicht ab und zogen die Blicke sofort auf sich. Ihre Schönheit hatte etwas von der Makellosigkeit von Sethi, nur ohne die vielen Hinterlassenschaften des Kriegs.
Walker blinzelte ihr zu. »Vielen Dank.«
Voronoff winkte sie zu sich und überreichte ihr einen winzigen Datenspeicher. »Bring das bitte zu Sergej, er soll die Neuankömmlinge überprüfen, übliche Vorgehensweise. Er soll sich beeilen.«
Sie strich ihm kurz über die Schulter und verließ dann den Raum so graziös, wie sie gekommen war.
»Auch Sie verfügen über einen erlesenen Geschmack.«, bemerkte Walker anerkennend.
»Wir sind doch alle visuelle Wesen, Major. Die Befriedigung dieses Sinnes ist stets eine Freude. Wieso also mit weniger zufrieden sein?« Voronoff deutete auf die Getränke. »Bitte, bedienen Sie sich.«
Walker ließ sich das nicht zweimal sagen und nahm sich direkt eine Flasche Wodka, während alle anderen verzichteten.
»Ich bitte diese Verzögerung zu entschuldigen, aber diese Anlage ist komplett von der Außenwelt abgeschnitten.«, erklärte Voronoff. »Die einzige Verbindung zum Frame läuft über die Forschungsstation. Alle notwendigen Daten, Neuigkeiten oder was auch immer wir hier benötigen, wird auf Festplatten gespeichert und per Hand auf unsere internen Server übertragen.«
»Also gibt es keine Möglichkeit von außen, in Ihre Systeme einzudringen?«, fragte Walker.
»Nein. Unsere Server können nur über den direkten Zugang zum internen Netzwerk erreicht werden. Hackerangriffe sind ausgeschlossen.«
Walker kostete von dem Wodka. »Deswegen auch der Störsender?«
Voronoff nickte kurz. »Sie haben es bemerkt.«
»Natürlich.«
»Es wird jegliche Art von Funk gestört. Es gibt nur einen sehr begrenzten Frequenzbereich, über den das drahtlose Netzwerk des Gefängnisses funktioniert. Zugriff haben nur die Mitarbeiter dieser Anlage. Die Wellen dringen nicht bis nach draußen.«
»Das ist gut.«, sagte Walker anerkennend und genoss den Wodka mit wenig Zurückhaltung. »Also gibt es keine Möglichkeit für die Gefangenen, mit der Außenwelt zu kommunizieren.«
»Nein. Während wir auf die Bestätigung Ihrer Identitäten warten, würde ich Ihnen gerne ein paar Fragen stellen, natürlich nur wenn Sie gestatten.«
Walker hob das Glas kurz in Richtung des Gefängnisbetreibers, ehe er es erneut an die Lippen führte.
»Wieso möchte der Rat den ehemaligen Helden von Johannesburg ausgerechnet in meiner Einrichtung unterbringen?«
Walker warf Devon einen verächtlichen Seitenblick zu.
»Der Rat war der Ansicht, er könne mit diesem billigen Abklatsch eines Soldaten das Image des Heeres und der Ghosts verbessern.«, sagte er und seine Stimme triefte vor Abscheu.
Devon fragte sich, ob er früher einmal undercover gearbeitet hatte, denn seine Vorstellung war sehr überzeugend.
»Ein Held für das Volk.«, spuckte Walker aus. »Doch wie erwartet hat er sich als der Versager herausgestellt, der er in Wirklichkeit ist. Nicht nur, dass er seine Befugnisse als Ghost weit überschritten hat, er ist auch noch komplett durchgedreht und hat ein Massaker unter Zivilisten angerichtet. War dem Druck wohl nicht gewachsen.«
»Alles Lügen.«, warf Devon plötzlich ein und sprang von seinem Platz auf. »Ich wurde reingelegt. Ich habe weder diese Leute getötet noch den Terroristen geholfen.«
Sethi verpasste ihm einen Hieb in die Seite und zerrte ihn auf seinen Platz zurück.
Voronoff musterte das kleine Team eine Weile. Devon glaubte nicht, dass er Sethi und Walker erkennen würde, da sie optische Anpassungen trugen. Sethi hatte wieder helle Haut, eine andere Augenfarbe und die Haare waren zu einer strengen Frisur zusammengebunden. Walker hatte sein Gesicht mit einer Reihe an technischen Mods erweitert, was ihn noch mehr wie einen Cyborg aussehen ließ. Nur Personen, die sie wirklich gut kannten, würden die beiden sofort identifizieren können.
»Ich kenne die Geschichte des Helden von Johannesburg.«, sagte Voronoff. »Ich habe sie mit Interesse verfolgt.«
»Und nur Lügen gehört.«, sagte Devon. Sein Blick war hart, als er den Gefängnisbetreiber fixierte.
»Tatsächlich?«, fragte Voronoff neugierig.
»Er will nur seinen Arsch retten.« Walker winkte ab. »Und genau das ist das Problem. Der Rat kann nicht verantworten, dass dieser Mann in einem gewöhnlichen Gefängnis untergebracht wird. Er würde früher oder später mit jemandem reden und wenn die Medien davon Wind bekommen …« Er ließ den Satz offen.
»Ich verstehe.«, sagte Voronoff. »Er ist dem Rat unbequem geworden.«
»Genau, aber die sind natürlich zu feige, ihn kaltzustellen.«
»Tatsächlich?«
»Angeblich hat er ihnen bei dem Attentat in London die verweichlichten Ärsche gerettet.«, sagte Walker. »Obwohl ich das für ein Gerücht halte.«
»Faszinierend.« Voronoff betrachtete Devon wie ein besonderes Kunstwerk, das er seiner Sammlung hinzufügen konnte. »Bedeutet das, der Rat hat persönlich den Befehl zu seiner Einquartierung gegeben?«
»Genauso ist es.«, sagte Walker. »Von höchster Stelle genehmigt, allerdings würden sie das im Zweifelsfall alle abstreiten.«
»Natürlich würden sie das.«
Walker beobachtete das Glas in seiner Hand.
»Wie lange besteht diese Einrichtung bereits?«
»Die oberste Etage existiert seit fast achtzig Jahren und gehörte ursprünglich zur Kostroma-Station. Sie wurde hauptsächlich für illegale Experimente der russischen Regierung genutzt, bis ich sie im Jahr 2045 erworben und ausgebaut habe. Der erste Gast bezog hier 2048 seine Zelle.«
»Wie kamen Sie auf die Idee?«
Voronoff lehnte sich zurück und dachte über die Frage nach. »Während meiner Zeit beim russischen Geheimdienst wurde mir die Notwendigkeit eines Ortes bewusst, an dem man einen ganz speziellen Personenkreis unterbringen kann, dessen Einfluss selbst hinter die dicksten Mauern reicht.«
»Sie und Ihre Männer sind immun gegen diese Art von Einfluss?«, fragte Walker. Die Provokation in seinen Worten war nicht zu überhören. Doch auch diesmal nahm Voronoff die Aussage gelassen hin. Er war kein Mann, der sich leicht aus der Ruhe bringen ließ.
»Niemand ist immun gegen diese Art von Einfluss.«, sagte er und öffnete die ineinander verschobenen Hände für einen Moment. »Aus diesem Grund gibt es innerhalb dieser Mauern ganz bestimmte Regeln. Wer sie nicht befolgt, muss mit den Konsequenzen rechnen.«
»Und welche Konsequenzen wären das?«
Voronoff zuckte mit den Schultern und lächelte distanziert. »Das hängt von der Regel ab, die gebrochen wird.«
»Gelten diese Regeln auch für Sie?«
»Sie möchten wissen, ob ich bestechlich bin. Die Antwort lautet nein, ich bin es nicht.«, erklärte Voronoff ruhig. »Ich habe zu lange für die russische Regierung gearbeitet und mitangesehen, wie mächtige Männer scheinbar unverwundbar waren. Es gab immer jemanden, der bereit war, ihnen zu helfen, egal, in welchen Schwierigkeiten sie steckten. Verbrechen bekommt bei solchen Leuten eine andere Bedeutung.«
»Jeder Mensch hat seinen Preis.« Walker zeigte sich unbeeindruckt und starrte Voronoff weiter über den Tisch hinweg an.
Der erwiderte den Blick einige Zeit, ehe er antwortete. »Sie mögen Recht haben, aber das trifft in diesem Fall nicht auf mich zu. Nicht etwa, weil ich besser wäre als irgendjemand sonst. Ich bin schlicht Geschäftsmann und ich verdiene mit dieser Anlage sehr viel Geld. Würde ich mich von meinen eigenen Insassen manipulieren lassen, gäbe es bald niemanden mehr, der mir vertrauen würde. Ein Geschäftskonzept lebt von der Zuverlässigkeit der ausführenden Personen. Unbestechlichkeit ist sozusagen Teil des Service.«
Das Gespräch wurde unterbrochen, als die hübsche Assistentin in das Zimmer trat. Mit hochhackigen Schuhen, die ihre langen Beine noch stärker betonten, ging sie zu Voronoff und gab ihm den Datenträger zurück.
»Danke, Emilia.«, sagte er und verband den Miniaturspeicher mit der Konsole.
Wenn Phobos seinen Job richtig gemacht hatte, sollte es keine Probleme geben, doch schon der kleinste Fehler konnte sie verraten. Es dauerte einige Minuten, bis Voronoff alle Daten durchgegangen war.
»Und … zufrieden?« Walker schwenkte gelangweilt sein Glas.
Der Gefängnisbetreiber deaktivierte die Tischkonsole. Die Holotastatur verblasste und das Display schob sich zurück in das dunkle Holz.
»Ja.« Voronoff nickte und sein Ton wurde übergangslos geschäftlich. »Ich verlange zehn Millionen für die Einlagerung Ihres ehemaligen Ghosts und eine monatliche Gebühr von zwanzigtausend Credits.«
»Geht in Ordnung.« Walker beugte sich ein wenig vor, als wolle er damit seinen nächsten Worten Nachdruck verleihen. »Bevor wir das Geschäft jedoch abschließen, möchte ich noch etwas klarstellen: Es gibt eine Bedingung, die zuvor erfüllt werden muss.«
Voronoff sah ihn gelassen an. »Und die wäre?«
»Mein Team wird eine komplette Überprüfung Ihrer Sicherheitssysteme und Standards durchführen. Außerdem möchte ich die Anlage persönlich inspizieren.«
Diese Bedingung überraschte Voronoff. »Eine Überprüfung?«
»Korrekt.«, sagte Walker. »Ich muss sicherstellen, dass Ihr frostiger Kerker auch wirklich hält, was er verspricht.«
Voronoff lächelte undurchsichtig. »Major, diese Einrichtung ist vollkommen sicher, darauf haben Sie mein Wort. Es besteht kein Grund zu einer solchen Überprüfung.«
Walkers Gesicht war wie versteinert. Er drehte das Glas zwischen seinen schwarzen Fingern und fixierte Voronoff dabei über den Tisch hinweg. Jetzt kamen sie in die kritische Phase. Wenn der Kerkermeister ablehnte, war der Auftrag beendet, ehe er richtig begonnen hatte. Devon spannte seine Muskeln an, als er bereits glaubte, Walker würde zu einem unüberlegten Angriff übergehen. Doch er täuschte sich.
»Mister Voronoff, bei allem Respekt, aber Ihr Wort alleine genügt mir in diesem Fall nicht.« Walker zeigte auf Devon. »Ich bin für diesen Mann persönlich verantwortlich und ich werde ihn nicht in einer Anlage lassen, von deren hohen Sicherheitsstandards ich selbst nicht zu hundert Prozent überzeugt bin.«
Voronoff und Walker lieferten sich ein Blickduell, das schon bald den gesamten Raum mit gefährlicher Spannung füllte. Devon beobachtete die beiden Wachen aus den Augenwinkeln. Sie standen weiter nur regungslos hinter ihnen, doch das konnte sich jeden Augenblick ändern. Er war erfahren genug, um zu erkennen, dass sie in ihrer jetzigen Situation klar im Nachteil waren.
»Sie beleidigen meine Anlage und damit auch mich.«, stellte Voronoff schlicht fest. »Dieses Gefängnis existiert seit vierunddreißig Jahren und in dieser gesamten Zeit konnte noch nie jemand fliehen.«
»Es käme mir nie in den Sinn, Sie zu beleidigen.«, entgegnete Walker. »Aber ich bestehe auf dieser Überprüfung und sie wird Ihnen auch nicht schaden.« Er machte eine kurze Pause, in der er sich zurücklehnte und Voronoff abschätzig musterte. »Ich möchte nur ungern ein weiteres Mal auf meinen Sonderstatus hinweisen. Immerhin musste ich bereits meine Waffe abgeben. Jetzt sollten Sie mir entgegenkommen.«
Voronoffs Blick wanderte an ihnen vorbei zu den beiden Wachen an der Wand. Walker beobachtete ihn dabei mit der Gelassenheit eines Unsterblichen. Nyx hingegen hielt es kaum im Stuhl.
»Keine Sorge, Lieutenant Enos.«, sagte Walker in ihre Richtung, ohne Voronoff aus den Augen zu lassen. »Unser Gastgeber würde es nicht wagen, einem Ghostagent etwas anzuhaben, denn trotz all der Freiheit die er genießt, ist er sich doch der Tatsache bewusst, dass sie ihm schnell wieder weggenommen werden kann. Einfluss und Macht können recht flüchtig sein.«
Voronoff versteckte seine wahren Emotionen hinter einem wohldosierten Lächeln. Doch die lodernden Augen verrieten ihn. Plötzlich erhob er sich und knöpfte sein Sakko zu. »Nun gut, Sie sollen Ihre Überprüfung bekommen. Dann muss ich aber gleichwohl eine Bedingung stellen.«
Walker wartete darauf, dass Voronoff weitersprach.
»Sie und Ihre beiden hübschen Kameradinnen dinieren heute nach der Inspektion mit mir. Ich bevorzuge es, meine Geschäfte in einer etwas entspannteren Umgebung abzuschließen.«
Walker erhob sich ebenfalls. Er reichte dem Gefängnisbetreiber die Hand. »Das Angebot nehmen wir dankend an.«
»Wenn Sie nichts dagegen haben, Major, würde ich vorschlagen, dass wir umgehend mit der Besichtigung beginnen.«
»Das klingt nach einer ausgezeichneten Idee.«
»Wenn Sie mir dann bitte folgen wollen.«
Voronoff übernahm wieder die Spitze der Gruppe mit seinen beiden persönlichen Wächtern. Dann folgten Walker, Devon, Sethi und Nyx. Das Schlusslicht bildeten zwei weitere Wachen. Devon verfluchte die Vorsicht des Gefängnisbetreibers. Also mussten sie dieses Schauspiel noch eine Weile mitmachen. Womöglich hatte Voronoff selbst ihnen die beste Möglichkeit geboten, indem er sie zu einem gemeinsamen Essen eingeladen hatte. Bis dahin vertraute er ihnen hoffentlich soweit, dass er weniger Vorsicht walten ließ.
»Diese Anlage besteht aus sechs Stockwerken.«, begann Voronoff seine Ausführungen. »Dieses hier bildet den Kopf des gesamten Gefängnisses und ist nur den Mitarbeitern vorbehalten.«
Ihre Schritte hallten auf dem metallenen Untergrund wider. Die Temperatur lag bei etwa fünfzehn Grad. Man sah dem gesamten Bau sein Alter an, aber durch regelmäßige Aktualisierungen hatte man ihn immer wieder auf Vordermann gebracht.
Voronoff zeigte auf die nächste Tür. »Das hier ist die Küche, hier wird das Essen für unsere Gäste vorbereitet.«
»Synthetische Nahrung, nehme ich an.«, sagte Walker.
»Nein.«, sagte Voronoff. »Ich halte nicht viel von industriell gefertigten Nahrungsmitteln.«
»Haben Sie das gehört, Reeves?« Walker drehte sich halb herum. »Sie werden hier ausgezeichnet dinieren können.«
»Ficken Sie sich ins Knie, Leet.«
Walker lachte auf. Voronoff führte sie an Räumen vorbei, die nur wenig interessant für sie waren. Zimmer der Mitarbeiter, Waffenlager, Ausrüstungslager und andere Räumlichkeiten. Doch er erklärte alles gewissenhaft, wie es eine genaue Überprüfung erforderte. Devon erstellte in seinem Kopf unterdessen eine Karte der gesamten Anlage.
»Wie sind Sie zu einem Ghost geworden, Major, wenn mir die Frage gestattet ist?«, fragte Voronoff, als sie sich einem der Mittelstege näherten. »Mich hat die Sonderposition Ihres Ranges schon immer fasziniert.«
»Befehle befolgen war nicht unbedingt meine größte Stärke.«, sagte Walker und hatte damit wahrscheinlich Recht. »Außerdem war ich bereit, mich komplett techen zu lassen.«
»Interessant.«, sagte Voronoff. »Was ist Ihr Spezialgebiet?«
»Exekutionen.«, antwortete Walker kalt.
Sie betraten einen der vier Stege, die zur Zentrale in der oberen Mitte des gesamten Komplexes führten.
»Das ist die Kommandozentrale.« An der Tür hielt Voronoff seine Hand gegen einen Scanner, der seinen ID-Code registrierte, ehe er einen mehrstelligen Code in ein Bedienfeld tippte. »Von hier aus überwachen wir jeden einzelnen Gast und beobachten alles.«
Die Zentrale war ein Zusammenschluss aus unzähligen Bildschirmen, Konsolen und anderen Geräten, mit denen jeder Winkel des Gefängnisses überblickt werden konnte. Devon zählte über hundert Bildschirme, die wie ein Gewirr aus Augen auf ihn herab starrten. Etwa die Hälfte von ihnen war jedoch schwarz. Auf dem Rest waren größtenteils Gefangene in ihren Zellen zu erkennen.
»Die Anlage bietet Platz für hundert Gäste. Derzeit sind aber nur dreiundsechzig Zellen belegt.«
Walker näherte sich den Bildschirmen, vor denen zwei Techniker saßen. »Wieso nennen Sie sie Gäste?«
Voronoff antwortete nur mit einem kalten Lächeln, also ging Walker nicht weiter darauf ein.
»Wie werden Ihre … Gäste noch überwacht?«
Voronoff trat an seine Seite und folgte seinen Blicken. »Moderne KI’s überwachen die Bewegungen der Gäste. Auffälligkeiten werden dem Personal sofort gemeldet. Sensible Mikrofone nehmen die geringsten Geräusche innerhalb der Zellen auf und werden genauso an die KI übermittelt. Der Urin wird automatisch untersucht und es finden regelmäßige Blutabnahmen und psychologische Tests statt. Es hat hier in der gesamten Zeit noch nie jemand Selbstmord begangen, wenn Sie das wissen wollten. Wir sind äußerst effektiv darin, unsere Gäste am Leben zu erhalten.«
Devon sah sich in der Zentrale um. Moderne Technologie duellierte sich mit der alten, ursprünglichen Einrichtung. Generationen von Geräten trafen aufeinander. Alte, abgegriffene Tastaturen funktionierten neben neuen Holotastaturen. Alte lichtschwache Bildschirme wechselten sich mit modernen Display ab, deren Detailgrad um einiges höher war. Dicke Kabelstränge wuchsen aus den Anlagen und verschwanden in einem Nebenraum oder führten direkt in die Wände aus Stahl und Beton. Die Scheiben der kreisrunden Zentrale bestanden aus Sicherheitsglas, das von einem dichten Gitter durchzogen war und so für zusätzliche Stabilität sorgte. Devon fühlte sich zunehmend unbehaglich in seiner Rolle als potentieller Inhaftierter. An diesem Ort wollte er nicht enden. Wenn der Plan schiefging, bevorzugte er es, im Kampf zu sterben.
»Ich möchte, dass sich Lieutenant Enos Ihre Systeme genau ansieht.«, forderte Walker.
Voronoff wandte sich an seine beiden Mitarbeiter, die hinter den Konsolen saßen und alles im Auge behielten.
»Kümmert euch um den Lieutenant.«, befahl er und deutete auf Nyx. »Sie wird unsere Sicherheitssysteme einer genauen Kontrolle unterziehen. Sie bekommt alle Zugriffsrechte und Hilfe, die sie benötigt.«
Die beiden Techniker bestätigten den Befehl und salutierten.
»Sie haben es gehört, Lieutenant, machen Sie sich an die Arbeit.«, sagte Walker streng. »Wenn wir zurück sind, möchte ich einen genauen Bericht. Enttäuschen Sie mich nicht.«
»Nein, Sir.«, sagte Nyx etwas selbstsicherer aber noch immer fern einer professionellen, militärischen Haltung. Sie machte sich sofort daran, die Computeranlagen zu überblicken.
»Ich schlage vor, wir setzen unterdessen den Rundgang fort.«, sagte Voronoff und bedeutete seinen Gästen, ihm zu folgen. Walker war einverstanden, also verließen sie die Zentrale. Nur Nyx blieb bei den beiden Sicherheitsmännern zurück. Devon hoffte, dass sie ihren Part erfüllte. In seiner Situation konnte er ihr nicht helfen.
Ein einzelner Steg führte hinunter in die tiefer gelegenen Stockwerke mit den Zellentrakten. Einen Aufzug gab es nicht. Unten angekommen öffnete Voronoff mit einem Code das Sicherheitsschloss an der Tür aus schlichten, aber effizienten Metallstreben. Sie gab den Weg auf die erste Etage des Zellenblocks frei. Jedes Stockwerk war durch jeweils zwei Stege mit den darunter und darüber liegenden Etagen verbunden. Außer dem kreisrunden Bereich, der zum Begehen war, existierten nur noch Zellen.
»Auf jeder Etage befinden sich etwa zwanzig Zellen.«, erklärte Voronoff. Eine Wache kam ihnen entgegen und salutierte respektvoll vor dem Gefängnisbetreiber. »Wie Sie sehen, drehen meine Männer ihre Runden, obwohl alles automatisch und genauestens überwacht wird. Das hat mehrere Gründe. Einer davon ist, dass ich der Technologie nur bedingt vertraue.«
»Ist das auch der Grund, weswegen hier keine Drohnen oder Bots zu sehen sind?«
Voronoff nickte. »Ja, außerdem arbeiten unter meiner Führung nur Menschen aus Fleisch und Blut. Das soll keine Beleidigung sein, Major, aber ich halte die Humantechnologie für etwas Widernatürliches.«
Walker winkte ab. »Ihre Wachen wären aber weitaus effektiver.«
»Sie mögen Recht haben, aber ich vertraue vorzugsweise auf die Effektivität meiner Männer und nicht auf anfällige Implantate.«
»Eine recht altertümliche Einstellung.«
»Ich würde sie eher als traditionell bezeichnen. Jahrtausende sind wir sehr gut ohne die Humantechnologie ausgekommen. Ich halte diese Entwicklungen nur für einen Trend, bis sich die Menschen wieder ihrer eigenen Identität bewusst werden.«
»Sie sind ein Mann mit Prinzipien, das muss ich Ihnen lassen, auch wenn ich Ihre Meinung nicht teile.«
»So ist es.« Voronoff führte sie an Reihen aus identischen Spezialtüren vorbei. Jede war mit einem Codefeld gesichert. Displays an den Türen ermöglichten einen Blick in die Zellen.
»Wie viele Mitarbeiter arbeiten hier?«, fragte Walker und kam damit zu einem wichtigen Punkt. Sie mussten wissen, wie ihre Chancen standen und womit sie zu rechnen hatten.
»Fünfzehn Wachsoldaten, zwei Ingenieure, vier Computertechniker, zwei Ärzte, zwei Köche, sechs Mitarbeiter, die für unterschiedliche Gebiete eingesetzt werden, und meine persönliche Assistentin Emilie.«
Das waren eine Menge potentieller Feinde. Einen direkten Kampf konnten sie nicht überstehen.
»Und Sie vertrauen all Ihren Mitarbeitern?«, wollte Walker wissen.
»Ausnahmslos.«, sagte Voronoff ohne Zögern. »Ich habe jeden Einzelnen von ihnen persönlich ausgewählt.«
»Ex-Militärs?«
»Das oder ehemaliger Geheimdienst.«
»Wieso die Masken?«, fragte Sethi hinter Devon.
»Das ist eine der Regeln in dieser Anlage.«
»Dann erzählen Sie uns doch ein bisschen etwas von Ihren Regeln.«, bat Walker.
»Gerne.«, sagte Voronoff. »Die Wachen müssen für die Gäste anonym bleiben. Direkter Kontakt ist nicht erlaubt. Das Sprechen mit Gästen beschränkt sich auf notwendige Befehle oder Drohungen. Wer dagegen verstößt und sich mit einem Gast unterhält, ist sofort raus. Sie sehen also, Major, dass keiner unserer Gäste auch nur die Möglichkeit erhält, den Preis meiner Mitarbeiter herauszufinden.«
»Vernünftig.«, sagte Walker.
»Jeder Gast wird nur mit seiner Nummer angesprochen. Dies gilt auch für die Gäste untereinander. Ein Verstoß dagegen zieht eine disziplinäre Strafe nach sich.«
»Also keine Namen?«
»Nein. Die Wachen wissen auch nichts von den Gästen, nur das, was für ihren Job relevant ist. Das bringt mich auch zum nächsten Punkt: keine Sonderbehandlungen für Gäste. Sie sind alle nur eine Nummer und werden entsprechend gleich behandelt. Was auch immer sie einst waren hat hier keine Gültigkeit mehr. Die Gäste sind selbst für ihr eigenes Wohlbefinden verantwortlich.«
Devon konnte sich vorstellen, was diese Einrichtung für mächtige Männer bedeutete, die man hierher verfrachtete. Sie verloren alles, inklusive ihrer Identität und waren nur noch Teil einer Gruppe namenloser Gefangener.
»Eine weitere Regel besagt, dass sich zu jeder Zeit eine Wache in jedem Stockwerk aufhalten muss. Während der Zeit, in der die Gäste ihre Zellen verlassen dürfen, sind stets fünf Wachen anwesend.«
Sie kamen an einem der unzähligen Geschütze vorbei, die von der Decke hingen. Sie waren zwar kleiner und weniger auffällig als ihre großen Brüder im oberen Bereich, aber nicht minder tödlich, wenn man keine Körperpanzerung trug. Devon versuchte sich von der gesamten Anlage ein Bild zu machen. Er sah die automatischen Waffen, die codegesicherten Sperren und die dicken Panzertüren. Hinzu kamen die ständige Überwachung und bewaffnetes Personal, das man nicht bestechen konnte. Er hatte keine Idee, wie ein Gefangener von diesem Ort fliehen sollte. Der einzige Weg führte noch oben und mündete in eisige Kälte. Dazwischen lagen Sicherheitssysteme, Türen, jede Menge Wachen und eine Forschungsstation.
»Gab es schon einmal Aufstände?«, fragte Walker.
»Nicht wirklich.«, sagte Voronoff.
»Das bedeutet, es gab sie.«
»Um ehrlich zu sein, ja.«, gestand Voronoff. »Aber nichts, was ein ernstzunehmendes Problem dargestellt hätte.«
»Was ist geschehen?«
»Einer unserer Gäste dachte, er könnte fliehen, indem er einen Aufstand anzettelt. Sie müssen nur wissen, dass er sich getäuscht hat.«
Devon fragte sich, ob es der Agent von Terranis gewesen war. Voronoff gab einer Wache plötzlich ein Zeichen, worauf dieser ihm ohne Zögern seine Waffe zuwarf. Walker reagierte zu langsam, als der Gefängnisbetreiber mit dem Gewehr herumfuhr, auf den Maskierten anlegte, und den Abzug betätigte. Doch nichts geschah. Walker und Sethi hielten in ihren Gefechtsposen inne. Zur Demonstration hielt Voronoff die Waffe in die Höhe und betätigte den Abzug einige weitere Male.
»ID-gesicherte Waffen.« Er überreichte Walker die Waffe. »Nur der jeweilige Besitzer kann sie abfeuern. Selbst wenn ein Wachmann wider Erwarten von einem Gast entwaffnet werden sollte, nutzt ihm die Waffe nichts.«
Walker sah sich das Gewehr an. Devon erkannte in ihr eine modifizierte Version des Standardgewehrs von Turov.
»Verdammt clever.« Walker zielte auf Devon.
Der glaubte in den Augen des ehemaligen Detectives ein Aufblitzen zu erkennen. Wollte er diesen Moment nutzen, um Voronoff anzugreifen, da jetzt eine der drei Wachen unbewaffnet war? Devon schüttelte den Kopf und hoffte, dass Walker nichts überstürzte. Nyx war alleine bei den Männern von Voronoff. Man würde sie sofort als Druckmittel einsetzen, selbst wenn sie den Gefängnisbetreiber in ihren Händen hatten.
Walker drückte ab. »Peng.« Kein Schuss löste sich. »Wie schade.«
Er gab die Waffe zurück.
»Außerdem vergessen unsere Gäste hin und wieder, wo wir uns hier befinden.« Voronoff zeigte auf Lüftungsschlitze, die in regelmäßigen Abständen zwischen den Stockwerken angebracht waren. »Sie ahnen gar nicht, wie schnell der Widerstand bricht, wenn es hier erst einmal Minus sechzig Grad hat.«
»Kann ich mir gut vorstellen.«, grinste Walker.
»Und dann wäre da noch eine letzte Sicherheitsvorkehrung.«
»Überraschen Sie mich.«
»Jeder unserer Gäste erhält zu Beginn seines Aufenthalts eine intelligente Kapsel mit einem hochkonzentrierten, synthetischen Nervengift in das Rückenmark implantiert. Es blockiert die Ausschüttung von Neurotransmittern und führt zur sofortigen Lähmung.«
»Gefällt mir.«, sagte Walker. »Und wodurch wird sie ausgelöst?«
»Sie wird durch vier potentielle Szenarien automatisch aktiviert.«, erklärte Voronoff. »Durch den Versuch, die Kapsel zu entfernen. Durch den unwahrscheinlichen Fall, dass ein Gast das Gefängnis verlässt. Durch einen Angriff oder die Zerstörung der Station und schließlich auch meinen Tod. Zusätzlich kann die Kapsel auch per Fernauslöser aktiviert werden.«
»Sie haben wirklich an alles gedacht.«, sagte Walker anerkennend. »Und wenn ein Gast das Gefängnis doch einmal verlassen sollte?«
Voronoff lächelte ihn kalt und undurchschaubar an. »Dann wird die Kapsel selbstverständlich deaktiviert und entfernt. Schließlich sind viele unserer Gäste wertvoll und erfüllen womöglich eines Tages wieder einen Zweck.«
»Verstehe, wirklich clever.«, sagte Walker. »Das bedeutet, selbst ein gewaltsamer Rettungsversuch hätte für die Gäste nur den Tod zur Folge. Ein kluger Schachzug.«
»So ist es.«, erwiderte Voronoff. »Die Gäste sind sowohl vor allen äußeren als auch inneren Risikofaktoren geschützt, mich eingeschlossen.«
Devons Blick hatte sich verfinstert. Mit jeder weiteren Erklärung des Kerkermeisters sah er ihre Chancen schwinden. Ihnen blieb nur die Möglichkeit, Voronoff als Gefangenen zu nehmen und selbst dann bestand immer noch das Risiko, dass die Kapseln aktiviert würden.
Die kleine Gruppe setzte sich wieder in Bewegung.
»Eine Frage, Major.«, sagte Voronoff zu Walker.
»Ja?«
»Wieso hat der Rat so lange damit gewartet, Reeves hierher zu bringen? Seit seiner unehrenhaften Entlassung ist einige Zeit vergangen.«
Das war eine gerechtfertigte Frage, musste Devon zugeben. Walker zögerte.
»Weil die Feiglinge nicht wussten, was sie mit mir anstellen sollten.«, sagte Devon an seiner Stelle. »Ich habe ihnen die faulen, kleinen Ärsche gerettet und das hier ist der Dank dafür.«
Voronoff blitzte ihn neugierig an.
»Sie reden nur, wenn Sie gefragt werden!«, fuhr ihn Walker an, doch die Hiebe blieben diesmal aus.
»Hat er denn nicht Recht?«, wollte Voronoff wissen.
»Ich weiß es nicht. Es ist mir ehrlich gesagt auch scheißegal. Wahrscheinlich hatte der Rat genug um die Ohren. Ich bin nur sein Kindermädchen.«
»Natürlich.«, sagte Voronoff.
Der Gefängnisbetreiber führte sie bis zum Grund der Anlage. Diese letzte Etage bestand aus einem großen kreisförmigen Bereich mit einer Hand voll Sicherheitstüren. Es gab unterschiedliche Trainingsgeräte, Bänke, Tische und ein einzelnes Spielfeld. In der Mitte des kreisförmigen Untergeschoßes gab es auch eine Art Arena. Sie hatte einen Durchmesser von etwa zehn Metern und war mit Sicherheitsglas umrandet. Eingetrocknete Blutflecken am Boden zeugten von unzähligen Kämpfen.
Walker deutete auf die Arena. »Und hier kommen sich Ihre Gäste näher, oder wie?«
»So ungefähr. Hier treten sie gegeneinander an.«, sagte Voronoff, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. »Natürlich nur, wenn sie das selbst wollen. Sehen Sie es als kleine Maßnahme zur Motivation, die ich vor ein paar Jahren eingeführt habe.«
Seinem Lächeln nach zu urteilten bereitete ihm genau diese Tatsache besonderes Vergnügen. Ein Geschütz direkt über der gläsernen Arena sorgte für die nötige Sicherheit. Devon zählte insgesamt sieben Stück davon und jede Menge Luftschächte. Ein Befehl von Voronoff und es gab ein Blutbad unter den Gefangenen. Er hatte die vollkommene Kontrolle, Flucht ausgeschlossen.
»Major, unsere Gäste halten sich die meiste Zeit des Tages in ihren Zellen auf. Zweimal zwei Stunden täglich dürfen sie in diesen Bereich, um sich körperlich zu ertüchtigen. Sie können sich bestimmt vorstellen, dass der Zustand dauernder Isolation zu einigen aufgestauten Aggressionen führt. Die wenigsten Männer wissen, wie das ist, bis sie etwas zu übermütig werden. Wer einmal mein Gast ist, bleibt es für gewöhnlich.«
Walker sah Voronoff nur düster an. Devon war, als ob er ihm gerade gedroht hätte.
»Major, eine Frage hätte ich da noch.«
»Immer raus damit.«
»Sie sagten, sie wären für Exekutionen zuständig.«
»Mein Spezialgebiet sozusagen.«
»Wieso hat man dann Sie mit diesem doch recht simplen Einsatz beauftragt?«
»Das habe ich mich auch schon gefragt.«, sagte Walker. »Es ist eine Verschwendung meiner Fähigkeiten. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass mich jemand unterschätzt hat.«
Walker spielte ein gefährliches Spiel, das wusste Devon. Er fragte sich, ob Voronoff etwas ahnte oder ob er als ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter prinzipiell misstrauisch war.
Unter den kalten Blicken der Geschützkameras gingen sie zurück. Doch schon im nächsten Stockwerk machte Voronoff an einer Zelle halt, öffnete sie und deutete hinein. »Sie wollen doch bestimmt auch die Unterkünfte in Augenschein nehmen.«
Die Zelle mit der Nummer dreiundsiebzig offenbarte sich ihnen als kleiner Raum mit einem einfachen Bett, das in Form eines Metallrahmens aus der kalten Stahlwand wuchs. Es gab einen kleinen Tisch samt Stuhl, auf dem eine veraltete Konsole inklusive VR-Brille angebracht war. Eine Toilette und eine winzige Dusche rundeten die Einrichtung ab. Alles war fest montiert und konnte daher nicht als Waffe oder zur Selbstverletzung eingesetzt werden. In der Decke war nicht nur das vergitterte Licht, sondern auch ein Lüftungsschlitz angebracht. Der Raum ähnelte einem Kühlhaus, in dem man Frischfleisch aufbewahrte und Devon fühlte sich bereits als solches.
»Meine Gäste haben einen zeitlich begrenzten Zugang zu Nachrichten, Unterhaltungsprogrammen jeglicher Art und Informationen, die von der Zentrale genehmigt und per Datenträger von der Forschungsstation zu uns gebracht werden.«
»Dürfen die Insassen untereinander Kontakt haben?«, fragte Walker.
»Nur zu den vorgegebenen Zeiten im Aufenthaltsbereich, von ihren Zellen aus nicht.«
Devon konnte sich vorstellen, dass diese Art der Isolation auf Dauer erdrückend sein musste. Wenn die Konsole nicht genügend Abwechslung bot, musste jeder Tag in diesem Kerker der Horror sein. Bei dem Gedanken, hier zu enden, spürte er, wie ihm eine kalte Hand über den Rücken strich.
»Und wo wird gegessen?«, wollte Walker wissen.
»In den Zellen.«
»Nett, Essen direkt an die Tür, haben Sie das gehört, Reeves?«, ätzte Walker. »Hier erwartet Sie ja eine richtige Luxusunterkunft.«
Wenn sich Voronoff angegriffen fühlte, zeigte er es nicht. Seine Lippen umspielte nur ein präzises Lächeln, das so glatt und kalt war wie die Wände der Zelle. Er gab zwei seiner Wachen ein Zeichen. Für einen Moment glaubte Devon, sie würden angreifen, doch sie packten nur ihn.
»Was wird das?«, fragte Walker.
»Mister Reeves erhält einen kurzen Vorgeschmack auf seinen Aufenthalt.«, sagte Voronoff.
»Kommt nicht in Frage.«, entkam es Walker ein wenig zu hart, sodass er hastig weitersprach. »Nicht, bevor die Sicherheitsüberprüfung abgeschlossen ist.«
Voronoff ließ sich nicht beirren. Er erwiderte den Blick von Walker gelassen. »Bis Ihre Überprüfung abgeschlossen ist, ist Mister Reeves in seiner zukünftigen Zelle sehr gut aufgehoben. Das versichere ich Ihnen, Major. Ich bezweifle, dass Sie gemeinsam mit ihm dinieren wollen.«
Voronoff ließ Walker keine andere Wahl, als darauf einzugehen, denn alles andere wäre verdächtig gewesen.
»In Ordnung.« Er zeigte auf den Gefängnisbetreiber. »Aber noch ist er mein Gefangener.«
»Natürlich.«
Auf ein Zeichen von Voronoff hin setzten sich die beiden Wachen in Bewegung und brachten Devon in seine neue Zelle. Walker warf ihm einen letzten, um Vergebung bittenden Blick zu, ehe sich die Tür vor seinen Augen schloss. Jetzt lag es ganz an den dreien.
Kapitel 4 (Gesamter Text)
4 – Kerkermeister
Geheimgefängnis – Kostroma-Station
Die beiden Techniker hatten Nyx begrenzte Zugriffsrechte auf die Gefängnissysteme gewährt, die ihr nur eine oberflächliche Überprüfung ermöglichten. Natürlich war ihr das sofort aufgefallen, doch momentan musste sie mitspielen, denn die zwei Männer umkreisten sie ständig und beobachteten jeden ihrer Schritte. Nyx spielte das Spiel nun schon seit einer Viertelstunde mit und stellte nebenbei unwichtige Detailfragen. Doch langsam war es an der Zeit, etwas zu unternehmen. Sie musste irgendwie an die Zentralrechner gelangen.
»Ich benötige Zugang zu den Servern.«, sagte sie und versuchte dabei so bestimmend wie nur möglich zu klingen.
»Das kann ich nicht erlauben.«, antwortete der ältere, bärtige Techniker ohne zu zögern.
Nyx sah ihn unvermittelt an. »Sie werden mir sofort Zugang zu den Servern gewähren, sonst wird der Major dafür sorgen, dass man diesen Privatkerker dichtmacht.«
Nyx sah dem Mann einige Zeit in die Augen und hoffte, dass die beiden ihre Unsicherheit nicht spüren konnten. Zu ihrer Enttäuschung blieb der Mann stur.
»Nein, das kann ich nicht verantworten. Sie müssen sich mit dem Begnügen, was Sie haben. Das sollte auch für eine Sicherheitsüberprüfung vollkommen genügen.«
»Das ist doch nicht Ihr Ernst! Soll ich dem Major wirklich mitteilen, dass hier Stümper am Werk waren? Ich habe einige Probleme entdeckt, die auf sehr schlampige Arbeit hinweisen.«
»Was?«, entkam es dem anderen, einem weitaus jüngeren Mann, der sich persönlich angegriffen fühlte. Er hatte einen schrecklichen, russischen Akzent, den Nyx kaum verstehen konnte. »Kann nicht sein.«
»Ach nein?«, fragte Nyx und bereitete sich auf einen Frontalangriff vor. »Zuerst wäre da die Verschlüsselung der IDs. Der AES-Vier Standard war schon vor drei Jahren veraltet. Ich hoffe, ich muss Sie nicht über die Schwachstellen in diesem Algorithmus hinweisen. Dann wäre da die unsauber durchgeführte Integration der Sicherheitsprotokolle von Ihrem alten Unisys auf das neuere Rex-System. Da wurden einige Redundanzen nicht gelöscht, die ein Angreifer ausnutzen könnte. Außerdem gibt es bei Version dreizehn von Unisys einen Bug bei der Codegenerierung, weswegen, Überraschung, das System ja auch von Rex ersetzt wurde. So wie ich das sehe, habt ihr da einige ordentliche Sicherheitslecks. Will mir gar nicht erst ausmalen, wie es tiefer im System aussieht.«
Nyx konnte verfolgen, wie die Farbe in den Gesichtern der beiden Männer verblasste. Doch sie war noch nicht fertig mit den Technikern.
»Ach ja, hätte doch glatt die veralteten Versionen Ihrer Watcher-Firewall und der KI-Wall vergessen. Und wenn ich mir dann noch ansehe, wie viel Steinzeithardware Sie hier am Laufen haben, könnte ich binnen weniger Minuten mit einer infizierten Firmware das System locker austricksen und ganz einfach eindringen. Wenn Sie wollen, kann ich es Ihnen demonstrieren.«
Die beiden Techniker tauschten kurze, entsetzte Blicke.
»Und das waren nur meine oberflächlichen Beobachtungen. Sollte auch am Server so stümperhaft gearbeitet worden sein, kann ich unmöglich eine Empfehlung für diese Anlage aussprechen.«
»Ich werde dir …«, sagte der Jüngere wütend und ballte die Hände zu Fäusten. Er kam aber nicht dazu, sich auf Nyx zu stürzen, da der Ältere ihn stoppte.
Sie begannen einen Streit auf Russisch, von dem Nyx kein Wort verstand, da ihr leider die entsprechende Sprachdatei fehlte. In der Hektik vor ihrer Ankunft hatte sie darauf vergessen. Wenn Nyx dieses Himmelfahrtskommando überlebte, versprach sie sich, würde sie ihr Sprachmodul mit jeder einzelnen Fremdsprache füttern, die es im Frame zu finden gab, bis hin zu den Fantasiesprachen.
»Na gut, Sie haben zehn Minuten.«, erwiderte der Ältere, nachdem der Streit ausgefochten war, sehr zum Missfallen seines jüngeren Kollegen.
Er führte Nyx in den Nebenraum. Der Serverraum war nicht besonders groß, stickig und bestand aus drei Serverblöcken.
»Wir arbeiten hier teilweise mit über dreißig Jahre alter Technologie. Es ist nicht immer leicht, alles perfekt zu integrieren. Ich versichere Ihnen aber, dass die Sicherheit dadurch nicht beeinträchtigt wird. Die Gäste haben keine Möglichkeit auf das System zuzugreifen und eine Verbindung zur Oberfläche besteht nicht.«
»Davon will ich mir selbst ein Bild machen.«
Der Mann verzichtete auf eine Antwort und zeigte auf einen von drei Kästen, die das Zentrum des Raums darstellten. »Server eins ist der Hauptrechner. Server zwei wird ständig mit Nummer eins synchronisiert und übernimmt während Wartungsarbeiten oder bei einem Ausfall von Nummer eins.« Der Mann klopfte auf den dritten Kasten. »Nummer drei ist unser Backupserver. Er ist von den beiden anderen getrennt. Zweimal am Tag läuft über ihn eine Vollsicherung. Sollte es einmal Probleme mit dem System oder einer Modifikation geben, können wir jederzeit den letzten Stand wiederherstellen.«
»Wie lange dauert eine Rücksicherung im Falle eines totalen Systemcrashs?«
»Nicht mehr als eine Viertelstunde.«
Diese Leute verstanden ihren Job. Voronoff war ein äußerst vorsichtiger Mann, um nicht zu sagen, paranoid. So viel Sicherheit für ein paar wehrlose Gefangene in ihren Zellen. Die von Nyx aufgezählten Sicherheitsmängel waren irrelevant, da es ohnehin keine Möglichkeit für die Inhaftierten gab, auf die Systeme zuzugreifen. Der effektivste Schutz vor Hackern war immer noch die Verbindung zu kappen oder erst gar keine zu ermöglichen.
»Was geschieht während einer Rücksicherung mit den Zellentüren?«
»Bei Verbindungsverlust werden alle Zellentüren automatisch verriegelt.«
»Und was ist mit den restlichen Sicherheitssystemen?«
»Die gehen in den Offlinemodus.«, erklärte der Techniker. »Sicherheitstüren schließen sich und lassen sich nicht mehr öffnen. Die Geschütze schießen sofort auf jeden, der ein Armband trägt. Kameras und Mikrofone zeichnen in der Zwischenzeit alles auf, bis die Daten wieder an das Netzwerk gesendet werden können. Ein Ausfall der Server hat also keine negative Auswirkung auf die Sicherheit.«
Nyx ließ sich nicht anmerken, was sie davon hielt. Sie wollte nur so viel wie möglich in Erfahrung bringen und dem Sicherheitsmann ein wenig Feuer unter dem Hintern machen.
»Sind die Geräte EM-gesichert?« Sie näherte sich dem ersten Server.
Er war ein Kasten von der Größe eines Menschen, der fest im Boden verankert war. Dicke Kabelstränge führten zu dem Rechner. Unzählige Lichter und Anzeigen blinkten daran. Ein Display an der Vorderseite zeigte wichtige Daten zum Status des Servers, wie die aktuelle Temperatur, Speicherkapazität und andere Statusmeldungen. Dieser unauffällige Kasten verband alle Systeme im gesamten Gefängnis. Wer Kontrolle darüber hatte, kontrollierte das Gefängnis bis auf die menschlichen Elemente darin.
»Natürlich.«, versicherte der Techniker.
Nyx zeigte auf den Kasten. »Ich benötige Zugang.«
Der Techniker fühlte sich sichtlich unwohl bei dem Gedanken. Nyx entschied, ihre Strategie ein wenig zu ändern.
»Ach kommen Sie, ich werde Ihr kleines System schon nicht kaputt machen.« Sie lächelte harmlos und war sich gleichzeitig der Ironie ihrer Worte bewusst. »Ehrlich gesagt ist das mein erster Einsatz und ich will ihn nicht versauen, verstehen Sie? Geben Sie mir einfach einen Level-Zwei-Zugang, dann kann ich einen kurzen Blick auf die Systemstruktur werfen und dem Major anschließend berichten, dass alles super sicher ist. Er hat sowieso keine Ahnung davon. Zehn Minuten, länger brauche ich nicht, versprochen.«
Nyx sah, wie die grimmige Fassade des alten Russen bröckelte und der Ansatz eines Lächelns unter dem dichten, grauen Bart aufblitzte. »Na gut, aber wenn ich bemerke, dass Sie im System herumpfuschen, lasse ich Sie sofort vom Wachdienst festnehmen.«
Sie salutierte. »Ja, Sir.«
Der Mann tat ihr leider nicht den Gefallen, für ein paar Minuten zu verschwinden. Er gab seinem Partner von der Tür aus den Auftrag, den Zugang einzurichten.
»Eine Minute.«
Nyx aktivierte das Techmodul an ihrem Arm. Sie hatte nicht lange Zeit und konnte sich keine Fehler leisten, sonst würde sie sofort auffliegen. Eine gewohnte Situation für sie. Inzwischen hatte sie gelernt, mit dem Stress umzugehen. Schon in ihrer Kindheit hatte man ihr beigebracht, unter Druck und in kürzester Zeit Systeme zu knacken. Sie war überrascht, wie schnell ihre Nervosität verschwand, wenn sie sich auf die digitale Welt konzentrierte, zumindest solange niemand auf sie schoss.
»Sie können beginnen.«, verkündete der Techniker nach etwas mehr als einer Minute und öffnete mit einem Code die Zugangsklappe zum Server.
Nyx stöpselte ihr Techmodul in den Universalport und begann mit der Überprüfung, wobei der Mann sie genau beobachtete. Da das Techmodul mit ihrem Neuroimplantat verbunden war, konnte sie ihr Maschinenbewusstsein entfesseln. Wie ein Stück Glas zersplitterte ihr Verstand in unzählige kleine Teile, die sich durch das Kabel auf die Systeme des Servers stürzten. Nyx benötigte einen Moment, um das Schwindelgefühl abzuschütteln, das sie bei diesem Gewaltakt überkam.
Durch den Zugang, den die Sicherheitsmänner ihr gewährten, hatte sie bereits Zugriff auf einige zentrale Funktionen. Doch im Hintergrund streckte sie ihr geteiltes Bewusstsein wie Fühler in dem gesamten System aus. Allerdings musste sie sich vorsichtig bewegen, um nicht von irgendwelchen automatischen Sicherheitsprogrammen als Eindringling erkannt zu werden. Ein Schleichangriff, den sie schon hunderte Male ausgeführt hatte. Die Minuten verstrichen, während sie nach einem Weg suchte, dauerhaft Kontrolle über den Server zu erlangen. Doch es gestaltete sich schwieriger als erwartet. Der alte Techniker hatte Recht, die Systeme waren ein Flickwerk aus alter und neuer Software. Einerseits erkannte Nyx so einige Schwachstellen in der Programmierung, andererseits hatten die beiden eigene Programme zur Kompatibilität in die Codes eingeflochten.
Der Techniker wurde ungeduldig. »Wie lange brauchen Sie noch?«
»Nur noch ein paar Minuten.« Nyx bemerkte, wie ihr der Schweiß von der Stirn lief. Sie wischte ihn weg und lächelte schief. »Heizen Sie mit den Servern die ganze Anlage, ist ja brütend heiß hier drinnen.«
Der Techniker antwortete nicht. Seine Miene verdüsterte sich zunehmend.
»Sie haben da ein paar wirklich veraltete Protokolle laufen.«, bemerkte sie, um ihn abzulenken und kostbare Sekunden zu gewinnen.
»Wir bekommen nur alle paar Monate Sicherheitsupdates.«, erklärte der Mann mit einer Stimme, die Nyx glauben ließ, sie hätte ihn beleidigt. »Da wir aber nicht mit dem Frame verbunden sind, ist das unwichtig.«
»Nichts ist unwichtig.«, widersprach Nyx und blinzelte ihn unschuldig an. »Ich muss einen detaillierten Bericht abliefern, sonst bekomme ich Schwierigkeiten mit dem Major. Ich könnte nicht mehr ruhig schlafen, wenn ich das Gefühl hätte, etwas übersehen zu haben.«
Der Techniker seufzte. »Na gut, zwei Minuten, mehr aber nicht.«
»Das reicht mir.«, strahlte sie und nutzte die gewonnene Zeit.
Sie hackte den Zugang für das drahtlose Netzwerk der Anlage und lud die Codes auf ihr Implantat. Mit ein paar kleinen Modifikationen konnte sie sich so als einer der Mitarbeiter ausgeben und das System drahtlos infiltrieren. Zusätzlich sorgte Nyx dafür, dass die Logs ihren Zugang nicht mitprotokollierten. Nur wenn jemand den Datentransfer genau überprüfte, würde er ahnen, dass da noch jemand dieselben Codes verwendete. Der erste Schritt war getan. Sie deaktivierte die Verbindung zum Server und entfernte das Kabel.
Der Techniker machte ein erleichtertes Gesicht und versperrte den dunklen Kasten wieder. »Wurde auch Zeit.«
Sie grinste ihn fröhlich an. »Vielen Dank!«
Sofort passte sie ihr Neuroimplantat auf die Frequenz des lokalen Netzwerks an. Ein paar interne Modifikationen und schon sandte es die Erkennungssignale eines der Techniker aus. Sie imitierte dabei die Hardwareadresse seines Implantats. Für das System war sie nun Mstislav Bykov. Das System akzeptierte ihren Zugang ohne Beschwerden. Nyx musste dennoch vorsichtig bleiben. Wenn die Techniker aufmerksam waren, würden sie den erhöhten Datenverkehr über kurz oder lang bemerken. Bis dahin musste sie noch mehr Kontrolle erlangt haben.
Sie machte sich sofort an die Arbeit.
In ihrem Kopf wurde das Netzwerk mit all den verbundenen Geräten, Computern und Konsolen zu einem plastischen Wesen, gleich einem lebendigen Organismus, in dem sie sich nun wie ein Antikörper frei bewegen konnte. Geschütztürme, Zellentüren, Computersysteme alles war ein Teil dieses Netzes.
Es war ein kaltes, wortloses Gefühl, wenn sie sich in diesem gespaltenen Zustand durch die Datenleitungen bewegte. Kabel waren wie Straßen, Computer wie Landschaften und einzelne Codezeilen präsentierten sich ihr wie physische Konstrukte einer abstrakten Parallelwelt. Die digitale Welt entwickelte sich vor ihrem geistigen Auge zu einem fremden Ort, zu einem einzigen Kunstwerk geformt aus Informationen. Wie ein Schwarm breiteten sich ihre Bewusstseinsfragmente in den Systemen des Gefängnisses aus, um schnell Daten zu sammeln. Jedes Mal, wenn sie das tat, wurde sie besser darin und konnte sich noch stärker teilen.
»Und haben wir bestanden?«, fragte der alte Techniker, als sie in den Hauptraum der Zentrale zurückkehrten.
Nyx riss ihren primären Verstand los und konzentrierte sich wieder auf die reale Welt. »Wie Sie gesagt haben, ein Chaos unterschiedlichster Technologien. Aber Sie haben verflixt gute Arbeit bei der Integration der einzelnen Systeme geleistet. Die angesprochenen Mängel sind halb so schlimm. Wenn Sie die schnell beheben, sehe ich kein Problem.«
»Würden Sie darauf verzichten, Ihrem Major von diesen Mängeln zu berichten, wenn wir uns gleich darum kümmern?«
Voronoff schien nicht der Typ Boss zu sein, der Fehler tolerierte. Das kam Nyx sehr gelegen. Wenn sich die beiden mit den Sicherheitsmängeln befassten, würden Sie keine Zeit haben, auf andere Details zu achten. Ein paar Sekunden lang spielte sie die Nachdenkliche.
»Ich weiß nicht.«, zögerte sie. »Den Major bei meiner ersten Mission zu belügen, das gefällt mir nicht besonders. Nicht böse gemeint, aber ich habe keine Ahnung, ob ich mich auf Sie verlassen kann.«
»Sie haben mein Wort, dass wir uns sofort an die Arbeit machen.« Ein Flehen stand in seine Augen geschrieben. »Spätestens morgen haben wir uns um alle angesprochenen Punkte gekümmert. Bitte, Sie würden uns damit einen großen Gefallen tun.«
»Naja, ich kann guten Gewissens sagen, dass die Anlage sicher ist, von daher …« Nyx machte ein nachdenkliches Gesicht. »Na gut, die Sache bleibt unter uns.« Sie reichte ihm lächelnd die Hand. »Wir Techniker müssen doch zusammenhalten.«
Ein dankbares Lächeln entschlüpfte dem dichten Bartwuchs des Alten. »Danke!«
Als sie die Stimme von Voronoff hörten, wandten sie sich zugleich um. Zusammen mit Walker, Sethi und zwei Wachen stolzierte der Kerkermeister in die Zentrale. Devon war nicht bei ihnen.
»Sie sehen also, sowohl die Sicherheit als auch die Unversehrtheit unserer Gäste liegen uns sehr am Herzen.«, sagte er.
»Stellt sich nur noch die Frage, wie es mit Ihren Systemen aussieht.« Walker trat an Nyx heran. »Wie sieht es aus, Lieutenant?«
Der ältere Techniker warf ihr einen ängstlichen Seitenblick zu.
»Ich konnte alles wie geplant überprüfen.«, antwortete sie. »Aber ich benötige noch Zeit, um den Bericht zu verfassen.«
Der zweite Satz war für Sethi und Walker der Hinweis, dass Nyx zwar im System war, sie ihre Aufgabe aber noch nicht erfüllt hatte.
Walker winkte ab.
»Vergessen Sie den Bericht, ich will von Ihnen nur wissen, ob ich mir Sorgen machen muss.«
»Nein, Major, kein Grund zur Besorgnis, das System ist sicher.« Sie warf dem alten Techniker einen kurzen Seitenblick zu. »Es ist in äußerst fähigen Händen.«
Walker klatschte in die Hände und lächelte zufrieden. »Gut, genau das wollte ich hören. Den Bericht können Sie später immer noch schreiben, es bleibt genug Zeit dafür. Schließlich müssen wir eine Bedingung erfüllen.«
»Also steht dem gemeinsamen Essen nichts mehr im Wege.«, stellte Voronoff fest. »Ich kann Ihnen bis zum Essen zwar kein Gästequartier anbieten, aber wir haben noch ein leeres Quartier für Mitarbeiter, wenn Ihnen das genügt.«
»Natürlich.«, sagte Walker.